Vom Laufrad zum Flugrad Drohnen (UAS) zwischen Mobilitätsgeschichte, Arbeitssicherheit und zukünftigen Verkehrssystemen

Unbemannte Luftfahrtsysteme (UAS), umgangssprachlich als Drohnen bezeichnet, haben sich

innerhalb weniger Jahre von Spezialanwendungen zu breit eingesetzten technischen Arbeitsmitteln

entwickelt. Insbesondere im gewerblichen Umfeld – Inspektion, Vermessung, Logistik,

Medienproduktion und Prüftechnik – sind Multikopter heute fester Bestandteil betrieblicher

Prozesse.

 

Gleichzeitig zeigt sich, dass Drohnen zunehmend in einen mobilitätshistorischen Kontext

eingeordnet werden müssen. Ähnlich wie das Fahrrad im 19. Jahrhundert oder das elektrisch

unterstützte Fahrrad (EPAC) im 21. Jahrhundert stehen Drohnen exemplarisch für den Übergang

von rein mechanischer zu hochintegrierter, softwarebasierter Mobilität. Dieser Beitrag verfolgt das

Ziel, Drohnen sowohl historisch-systemisch als auch arbeitssicherheits- und

zulassungsrechtlicheinzuordnen und daraus Konsequenzen für zukünftige Mobilitätskonzepte – bis

hin zu sogenannten „fliegenden Fahrrädern“ – abzuleiten.

 

2. Mobilität als Evolutionslinie: vom Laufrad zum Flugrad

 

Die Geschichte der Individualmobilität lässt sich als Abfolge technischer Evolutionsstufen beschreiben:

 

  • Laufrad (ca. 1820) – muskelgetrieben, instabil, lernintensiv
  • Hochrad (ca. 1880) – höhere Geschwindigkeit, aber erhebliches Unfallrisiko
  • Niederrad (ab 1900) – sicherheitsorientierte Konstruktion, Durchbruch zur Massenmobilität
  • Fahrrad (ab 1960) – normiert, industrialisiert, alltagstauglich
  • E-Rad / EPAC (ab ca. 2010) – elektrische Unterstützung, neue Leistungs- und Sicherheitsfragen

 

Diese Linie zeigt: Technischer Fortschritt ist stets begleitet von Regulierung, Normung und

sicherheitsbezogener Anpassung. Vor diesem Hintergrund ist die aktuell diskutierte Vision eines

„Flugrads“ oder „fliegenden E-Bikes“ nicht als abrupter Technologiesprung, sondern als logische,

wenn auch regulatorisch hochproblematische Weiterentwicklung zu betrachten.

 

3. Drohnen als technische Arbeitsmittel – keine Spielzeuge

 

Ein zentraler Befund aus der sicherheitstechnischen Praxis ist die nach wie vor verbreitete

Fehleinschätzung von Drohnen als „Gadget“ oder „Spielzeug“. Tatsächlich handelt es sich bei

elektrisch angetriebenen Multikoptern um verwendungsfertige Maschinen im Sinne des

europäischen Produktsicherheitsrechts.

 

Daraus ergeben sich u. a. folgende Anforderungen:

 

  • CE-Kennzeichnungspflicht
  • Anwendung der Maschinenrichtlinie, EMV-Richtlinie und Niederspannungsrichtlinie
  • Konformitätsbewertung durch nach DIN EN ISO/IEC 17025 akkreditierte Prüfstellen
  • Einbindung in betriebliche Gefährdungsbeurteilungen nach ArbSchG und BetrSichV

 

Hinzu kommen luftrechtliche Anforderungen nach EU-VO 2019/947 und 2019/945, die Drohnen

eindeutig als Luftfahrzeuge klassifizieren.

 

4. Arbeitssicherheit und Mensch-Maschine-Schnittstelle

 

Aus Sicht der Unfallanalyse ist weniger die reine Technik als vielmehr die Mensch-Maschine-

Schnittstelle der kritische Faktor. Typische Gefährdungen sind:

 

  • Fehlinterpretation von Assistenzsystemen
  • Überschätzung automatisierter Flugmodi
  • Unzureichende Ausbildung bei komplexen Einsatzszenarien
  • fehlende organisatorische Schutzmaßnahmen (Absperrungen, PSA, Notfallpläne)

 

Besondere Bedeutung kommt der kinetischen Energie von Drohnen zu. Bereits bei

vergleichsweise geringen Massen werden durch hohe Rotordrehzahlen erhebliche Energieeinträge

möglich. Die EU-weit relevante 79-Joule-Grenzemarkiert dabei nicht nur eine formale

Klassifizierung (C1/C2), sondern eine real sicherheitsrelevante Schwelle mit unmittelbaren

Auswirkungen auf Betriebsbeschränkungen, Schulungspflichten und Schutzmaßnahmen.

 

5. Ausbildung als sicherheitsrelevanter Kernfaktor

 

Die praktische Erfahrung zeigt, dass rein theoretische Schulungen oder Online-Nachweise nicht

ausreichen. Effektive Risikominimierung erfordert:

 

  • realitätsnahe Indoor- und Outdoor-Trainings
  • Simulationen kritischer Flugzustände
  • Lehrer-Schüler-Systeme
  • gezielte Schulung der Wahrnehmung von Gefahrenzonen

 

Ziel ist nicht das „Beherrschen der Technik“, sondern das Erkennen von Systemgrenzen – eine

Parallele zur Entwicklung der Verkehrssicherheit im Fahrrad- und Automobilbereich.

 

6. Fliegendes E-Bike – rechtliche und systemische Grenzen

 

Aktuelle Konzeptfahrzeuge, häufig als Airbike oder Hoverbike bezeichnet, verbinden Elemente des

Fahrrads mit Multikopter- oder VTOL-Technik. Technisch sind diese Systeme beeindruckend,

rechtlich jedoch eindeutig einzuordnen:

 

  • Sie sind Luftfahrzeuge, keine Fahrräder
  • Eine Einstufung als EPAC oder Pedelec ist ausgeschlossen
  • Straßenverkehrs- oder Fahrradrecht ist nicht anwendbar
  • Zulassung, Pilotenausbildung, Lärmschutz und Rettungssysteme unterliegen dem Luftfahrtrecht

 

Damit wird deutlich: Die begriffliche Nähe zum Fahrrad ist irreführend und birgt erhebliche Risiken

für Verbraucher, Behörden und Hersteller.

 

7. Schlussfolgerung

 

Drohnen sind kein Sonderfall, sondern Teil einer langfristigen Mobilitätsentwicklung. Wie bereits

beim Übergang vom Hochrad zum Niederrad oder vom Fahrrad zum EPAC zeigt sich auch hier:

Technischer Fortschritt ohne adäquate Regulierung und Ausbildung erhöht das Risiko statt

den Nutzen.

 

Die Zukunft der Mobilität – ob am Boden oder in der Luft – wird nicht durch maximale Leistung,

sondern durch beherrschte Systeme, klare Klassifizierungen und konsequente

Sicherheitskonzepte entschieden.

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