Fahrradbranche im Abseits? Wenn Fußball glänzt, aber die Ausbildung stagniert

Fahrradbranche sponsert Fußball – aber wer sponsert die Ausbildung? ©velotech.de
Fahrradbranche sponsert Fußball – aber wer sponsert die Ausbildung? ©velotech.de

Ein Blick in die Fußballstadien zeigt ein neues Phänomen: Immer mehr Größen der Fahrradbranche, von Giant bei Fortuna Düsseldorf über Velo de Ville bei Borussia Mönchengladbach und JobRad beim SC Freiburg bis hin zu Deutsche Dienstrad bei Eintracht Frankfurt, investieren massiv in teure Profivereine. Der Schulterschluss zwischen Rad und Ball bringt zweifellos Sichtbarkeit und Image. Doch während das Rampenlicht auf dem Rasen glänzt, bleibt ein wesentlicher Bereich im Dunkeln: die berufliche Ausbildung.

Ernst Brust, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Mikromobilität und bekennender Fußballfan, begrüßt zwar grundsätzlich das Engagement im Sport. „Fußball verbindet. Fahrradfahren auch.“ Doch angesichts des akuten Fachkräftemangels in der Fahrradbranche stellt sich die drängende Frage: Wo bleibt das Sponsoring für die Zukunft der Branche – die Berufsausbildung?

 

 

 

 

Fahrradfirmen und -Dienstleister als Sponsoren von Fußballvereinen ©velotech.de
Fahrradfirmen und -Dienstleister als Sponsoren von Fußballvereinen ©velotech.de

Fachkräftemangel versus üppige Sponsorengelder

 

Der anhaltende Boom im Fahrrad- und insbesondere im Leasinggeschäft spült Jahr für Jahr Millionen neue Fahrräder und E-Bikes auf unsere Straßen. Eine Entwicklung, die die Branche bejubelt. Doch wer wird diese hochwertigen Fahrzeuge in Zukunft reparieren? Wer wartet die komplexen Akkus, stellt präzise Bremsen ein oder führt notwendige Software-Updates durch? Brust warnt eindringlich: Wenn Berufsschulen, Ausbildungszentren und Werkstatteinrichtungen weiterhin chronisch unterfinanziert bleiben, steuert die Branche unweigerlich auf ein strukturelles Problem zu, das ihren eigenen Erfolg langfristig gefährdet.

 

 

Die Diskrepanz ist frappierend: Viele Fußballvereine, selbst in der 2. oder 3. Liga, sichern sich heute Sponsoringvolumen im sechsstelligen Bereich – für Trikotwerbung, exklusive Hospitality und Social-Media-Reichweite. Gleichzeitig kämpfen Ausbildungswerkstätten an der Basis um jeden Euro. Es fehlt an grundlegender Ausstattung: moderne Prüfstände, zeitgemäße Diagnosesysteme, ausreichend Ersatzteile für Schulungsräder oder dringend benötigte Fortbildungen für Ausbilderinnen und Ausbilder. Eine Investition in die Zukunft der Branche, die hier offensichtlich vernachlässigt wird.

Doch wie könnte ein solches Engagement konkret aussehen? Statt ausschließlich in Trikotwerbung zu investieren, könnten Sponsoring-Budgets beispielsweise aufgeteilt werden:

  • Direkte Unterstützung von Ausbildungsstätten: Finanzierung von modernen Werkstattgeräten, Diagnosesystemen für E-Bikes oder der Anschaffung aktueller Schulungsräder.

  • Stipendien und Förderprogramme: Schaffung von Stipendien für angehende Fahrradmechatroniker oder die Unterstützung von Weiterbildungsprogrammen für bestehende Fachkräfte.

  • Bereitstellung von Lehrmaterialien und Produkten: Kostenlose Überlassung von Komponenten, Werkzeugen oder sogar ganzen Fahrrädern für den praktischen Unterricht in Berufsschulen und Ausbildungszentren.

  • Fortbildungen für Ausbilder: Finanzierung von Kursen für Berufsschullehrer und Ausbilder in Betrieben, um sie auf dem neuesten Stand der schnelllebigen Fahrradtechnologie (insbesondere E-Bike-Spezifika und Software-Updates) zu halten.

  • Imagekampagnen für Berufe: Gemeinsame Initiativen zur Aufwertung des Images des Fahrradmechaniker-Berufs, um junge Menschen für diese zukunftsfähigen handwerklichen Tätigkeiten zu begeistern.

  • Praktika und Mentoring: Aufbau von strukturierten Praktikumsplätzen und Mentoring-Programmen in den sponsoringtreibenden Unternehmen, um den Auszubildenden frühzeitig Einblicke in die Praxis zu ermöglichen.

Ein Appell für nachhaltiges Engagement: Verantwortung in der Fläche

 

Brusts Appell an die Branche ist klar und unmissverständlich: „Wenn Sponsoring, dann bitte auch dual – der eine Teil für den Sport, der andere für die Zukunft der handwerklichen Berufe.“ Er fordert, dass Unternehmen, die heute Fahrräder erfolgreich vermarkten, auch morgen dafür sorgen müssen, dass qualifizierte Fachkräfte diese warten können.

 

Dies wäre nicht nur ein Gebot der Glaubwürdigkeit, sondern auch ein Zeichen für nachhaltiges Engagement im besten Sinne des Wortes. Denn ohne eine solide Basis an gut ausgebildeten Spezialisten droht der Fahrradbranche trotz aller Erfolge auf dem Rasen ein Eigentor im eigenen Markt.

 

 

 

Quelle:  www.velotech.de — Ernst Brust

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