Interview: Wie geht es der Bikebranche wirklich?

Christian Morgenroth ist Geschäftsführer der Lucky Bike.de GmbH mit deutschlandweit 29 Filialen. Im Interview spricht er Klartext zur aktuellen Lage der Radbranche.

Lucky Bike: Fahrradfiliale in Dortmund  @LuckyBike
Lucky Bike Fahrradfiliale in Dortmund @Bild: LuckyBike / Jürgen Plathen

Es scheint, als gehöre die Outdoorsport- und Fahrradbranche zu den Gewinnern in der Pandemie: 2020 war ein turbulentes, aber auch sehr starkes Jahr für Händler von Rädern und E-Bikes. Allerdings steht die Branche dieses Jahr vor der Herausforderung, die guten Umsätze zu halten oder gar zu steigern − und das vor dem Hintergrund enormer Lieferengpässe. Denn viele Reparatur- und Kleinteile sind teilweise nicht lieferbar. Wie gerne auch die Händler den Kundenwünschen nachkommen würden, es ist schlichtweg nicht immer möglich. Tagtäglich werden enttäuschte Kunden um Geduld gebeten.


Im Interview erklärt Christian Morgenroth, einer der Geschäftsführer der Lucky Bike.de GmbH, zu der die Marken Lucky Bike und Radlbauer gehören, wie es derzeit um die Fahrradhändler steht.

Christian Morgenroth ist Geschäftsführer der Lucky Bike.de GmbH mit deutschlandweit 29 Filialen.
Christian Morgenroth ist Geschäftsführer der Lucky Bike.de GmbH mit deutschlandweit 29 Filialen.

Welche Auswirkungen hatte die Pandemie bisher auf den Fahrradmarkt allgemein?
Grundsätzlich gab es im Vergleich zu den Vorjahren eine viel höhere Nachfrage nach allen Rädern in unseren Filialen und in dem Onlineshop. Denn es sind deutlich mehr Menschen aus verschiedenen Gründen auf das Rad umgestiegen: um Bus- und Bahnfahren zu vermeiden, etwas für die Gesundheit zu tun, rauszukommen oder um Sport zu treiben, der durch geschlossene Vereine und Fitnessstudios nicht mehr möglich war. Der heimische Urlaub mit dem Rad, anstelle der ausgefallenen Flugreise, sorgte ebenfalls für mehr Radkäufe. Auch attraktive Dienstrad-Leasing-Angebote von Unternehmen sowie der Ausbau von besseren und sichereren Radwegen in den Kommunen ließen besonders die Nachfrage nach E-Bikes steigen. Allerdings haben wir aufgrund der enormen Lieferschwierigkeiten kaum noch Planungssicherheit. Das erzeugt Frust bei den Mitarbeitern sowie Kunden und ist der bittere Beigeschmack des Booms. Aber: Wir jammern nicht, sondern stellen uns den neuen Herausforderungen mit Kreativität und Gelassenheit.

Wird es zu einer Produktknappheit im Fahrradbereich kommen?
Wir sind es ja alle gewohnt, dass sämtliche Waren sofort erhältlich sind. Aktuell ist das aber ganz anders. Die Nachfrage nach Rädern, Zubehör und Ersatzteilen ist weltweit explodiert. In Asien, wo das meiste produziert wird, gab es zudem Produktionsausfälle, mit denen wir bis heute zu kämpfen haben. Außerdem war und ist es viel schwieriger, die Ware nach Europa zu transportieren. Wir haben leider keinen Einfluss auf Lieferengpässe und -zeiten und tun wirklich alles, was wir können. Aber wenn plötzlich einfachste Teile wie Bremshebel oder Pedale fehlen, kann einfach nicht repariert werden. Dafür bitten von Herzen um Verständnis.

Hat die Pandemie den Trend zur nachhaltigen Mobilität und Verkehrswende beeinflusst?
Wir wünschen uns natürlich – und gehen davon aus, dass die nachhaltige Mobilität und damit die stärkere Nutzung von Rädern, E-Bikes auch nach dem Boom weiterhin Bestand hat. Denn diejenigen, die jetzt aufs Rad gestiegen sind, erleben all die Vorteile und möchten diese weiter nutzen. Auch der Trend zum Elektrofahrrad steigt weiter, denn die Flexibilität und Nutzung des Rades ist grundsätzlich für alle
Nutzergruppen attraktiv. Dies sehen wir deutlich in den steigenden Zahlen von E-Bike-Käufen und auch in der stärkeren Nachfrage nach Leasing-Rädern. Aber auch die klassischen Räder ohne Motor sind bei uns im Fokus. Es ist uns wichtig, als Händler für beide Bereiche wahrgenommen zu werden.

Wie wird sich der Fahrradboom Ihrer Meinung nach im Jahr 2021 und darüber hinaus entwickeln?
Wir gehen von einer weiter steigenden Nachfrage nach Rädern aus. Auch wenn sich diese wieder normalisieren wird, bleibt sie auf einem höheren Niveau. Weiterhin ist der Trend zum E-Bike in Deutschland ungebrochen und der Markt noch lange nicht gesättigt. Vorbilder wie die Niederlande zeigen, welches Potenzial es geben kann.

Wann ist in diesem Zusammenhang für Kunden der beste Zeitpunkt, sich ein neues Fahrrad zu kaufen?
Dieses Jahr geht es um Verfügbarkeit, nicht um Preisoptimierung oder Optik. Die Kunden sollten also nicht warten, sondern zuschlagen, wenn sie etwas Passendes finden. Wir haben 2020 übrigens festgestellt, dass die Käufer deutlich weniger anspruchsvoll in der Auswahl handelten: Die Farbe oder teilweise die Art des Rades spielten eine kleinere Rolle beim Kauf. Wir vermuten, das wird ähnlich bleiben.

 

www.lucky-bike.de