Rahmenbruch im System: Warum der Fall Babboe die ganze Fahrradbranche zum Handeln zwingt

Babboe-Skandal zeigt drastisch: Wer nicht das verwendungsfertige Produkt testet, muss mit den Folgen leben ©velotech.de
Babboe-Skandal zeigt drastisch: Wer nicht das verwendungsfertige Produkt testet, muss mit den Folgen leben ©velotech.de

Der massive Rückruf von über 66.000 Babboe-Lastenrädern hat sich zu einem der größten Verbraucherskandale in der europäischen Fahrradbranche ausgeweitet. Der Fall legt eine tickende Zeitbombe offen: Viele Hersteller testen einzelne Bauteile, aber nicht das entscheidende Gesamtsystem, das am Ende auf die Straße kommt. Ein Versäumnis mit potenziell tödlichen Folgen.

Im Zentrum des Skandals stehen nicht nur gravierende Mängel wie Rahmenbrüche, sondern ein grundlegendes Versagen im Risikomanagement des Herstellers, der zur niederländischen Accell Group gehört. Bereits 2019 warnte der öffentlich bestellte und vereidigte Sachverständige für Mikromobilität, Ernst Brust (velotech.de GmbH), vor exakt diesen Problemen. Ein von ihm geprüftes Babboe-Modell versagte unter realitätsnahen Testbedingungen bei nur 50 Prozent der geforderten Belastung – der Rahmen brach. „Es war unverantwortlich, dieses Produkt wieder in den Markt zu bringen, ohne die vorhandenen Sicherheitsrisiken vollständig zu beseitigen“, kritisiert Brust.

 

Der Fall Babboe entlarvt eine kritische Schwachstelle, die weit über einen einzelnen Hersteller hinausgehen dürfte: Die Qualitätskontrolle konzentriert sich auf die Prüfung einzelner Komponenten, während das verwendungsfertige Produkt – das Fahrrad, wie es Kunden fahren – kaum oder gar nicht mehr systematisch getestet wird. „Wer nicht das Produkt prüft, wie es später verwendet wird, verlässt sich auf Annahmen, nicht auf Fakten. Das ist fahrlässig, wenn Menschen transportiert werden“, stellt Brust klar. Gerade bei Lastenrädern, in denen tagtäglich Kinder und Haustiere sitzen, ist diese Lücke im Sicherheitsprozess inakzeptabel.

Das Vorgehen des Unternehmens nach Bekanntwerden der Mängel verschärfte die Krise. Erst auf den massiven Druck von Behörden und Verbraucheranwälten reagierte Babboe – spät, intransparent und unzureichend. Betroffene Kunden berichten von schleppenden Rückrufen, absurd niedrigen Entschädigungsangeboten und einer Blockadehaltung bei der Herausgabe sicherheitsrelevanter Dokumente.

 

Der Skandal hat das Vertrauen in eine ganze Produktgattung erschüttert und muss Konsequenzen nach sich ziehen. Experten und Verbraucherschützer fordern daher:

  1. Verpflichtende Belastungsprüfungen am fertig montierten Produkt, insbesondere für Fahrzeuge, die dem Kindertransport dienen.

  2. Kopplung öffentlicher Förderungen an nachweislich bestandene und unabhängige Produktsicherheitsprüfungen.

  3. Eine Reform der Produktsicherheitsaufsicht, die sich an realen Nutzungsszenarien orientiert und nicht nur an theoretischen Normen.

Der Fall Babboe ist ein Weckruf. Es reicht nicht, auf die Qualität der eigenen Produktion zu vertrauen. Sicherheit muss nachweisbar und überprüfbar sein. Jetzt sind Politik und die gesamte Branche gefordert, die notwendigen Lehren zu ziehen. Denn Sicherheit darf kein optionales Versprechen sein, sondern muss zum kompromisslosen Standard werden.

 

Quelle: www.velotech.de — Ernst Brust

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