Das Thema des “Leistungs-Wettrüstens” bei Pedelecs über Drehmoment (Nm) und Leistung (W) sorgt in der Branche zunehmend für Diskussionen und Bedenken. Insbesondere durch neue Anbieter, vor allem aus China, entstehen Unsicherheiten, ob und wie etablierte Marktteilnehmer auf den Trend zu immer höheren Leistungswerten reagieren sollten. Die zusätzliche Verfügbarkeit von Tuning-Optionen, die Geschwindigkeitsbegrenzungen umgehen, trägt zur Verunsicherung bei und könnte langfristig den Status des Pedelecs als Fahrrad gefährden.
Aktuelle Entwicklungen
- Leistungsstarke Motoren für den Pedelec-Markt: Insbesondere chinesische Hersteller wie Bafang setzen neue Standards mit leistungsstarken, leichten Motoren wie dem M510, die vor allem für E-Mountainbikes ausgelegt sind. Diese Motoren bieten höhere Drehmomente und ermöglichen verbesserte Leistung im Gelände. (emtb-news.de)
- Kostengünstige, leistungsstarke Pedelecs: Neue Modelle wie das Bodywel M275, erhältlich zu einem Preis von unter 900 Euro, bringen hochleistungsfähige Motoren zu erschwinglichen Kosten auf den Markt und erhöhen damit den Preisdruck auf etablierte Anbieter. (ebike-news.de)
- Verfügbarkeit von Tuning-Optionen: Tuning-Module und Software sind mittlerweile leicht zugänglich und ermöglichen es, gesetzliche Geschwindigkeitsbegrenzungen von 25 km/h für Pedelecs zu umgehen. Dadurch wird das Pedelec in der Praxis zu einem motorisierten Fahrzeug, was zu Sicherheitsrisiken und rechtlichen Problemen führen kann.
Herausforderungen und Risiken
- Verunsicherung bei den Marktteilnehmern: OEM-Kunden und Händler wissen oft nicht, ob sie mit dem Trend zu höheren Leistungswerten und Tuning-Optionen mithalten sollen, um konkurrenzfähig zu bleiben, oder ob sie dem Markt gezielt entgegenwirken sollten.
- Mediale Berichterstattung und Maximalwerte: Medien und Werbungen betonen häufig maximale Leistungswerte und tragen so zur Überbewertung bei, während die praktischen und gesetzlichen Konsequenzen durch Tuning selten thematisiert werden. Dies führt zu einer potenziellen Fehlinformation der Kunden.
- Gefahr der Überregulierung: Höhere Leistungswerte und die Verbreitung von Tuning könnten Regulierungsbehörden dazu veranlassen, strengere Regelungen für Pedelecs zu erlassen. Denkbar sind Typgenehmigungen, Kennzeichenpflicht und Einschränkungen für die Nutzung in Natur- und Freizeitgebieten. Bereits 2019 stand die Kennzeichenpflicht für Pedelecs im Gespräch, um den Risiken durch übermotorisierte Modelle entgegenzuwirken. (bike-magazin.de)
Handlungsempfehlungen
- Aufklärung und Differenzierung: Unternehmen sollten klar kommunizieren, dass hohe Leistungswerte nicht immer die beste Lösung sind, und die Kunden über die Vor- und Nachteile unterschiedlicher Leistungsmerkmale sowie die Risiken von Tuning aufklären.
- Gesetzeskonforme technische Entwicklung: Unternehmen könnten gezielt Lösungen entwickeln, die Tuning erschweren oder verhindern, um langfristig das Vertrauen der Kunden und die Marktstabilität zu fördern.
- Beobachtung regulatorischer Entwicklungen und proaktive Kommunikation: Eine klare und offene Kommunikation innerhalb der Branche sowie der Dialog mit den Regulierungsbehörden könnten helfen, sinnvolle Begrenzungen für die Leistungswerte und präventive Maßnahmen zum Schutz des Pedelec-Status als Fahrrad zu etablieren.
Zusammenfassung
Das Leistungs-Wettrüsten und die Verfügbarkeit von Tuning für Pedelecs stellen die Branche vor signifikante Herausforderungen. Diese Entwicklungen könnten potenziell zu strengeren Regulierungen führen, was den Fahrradstatus von Pedelecs gefährdet. Ein verantwortungsbewusster Umgang mit Leistungsangaben, eine klare Positionierung gegen Tuning sowie die proaktive Gestaltung des rechtlichen Rahmens sind daher entscheidend, um das Pedelec als nachhaltiges Verkehrsmittel zu erhalten und eine positive Marktakzeptanz zu gewährleisten.
Quelle und Text: Ernst Brust, www.velotech.de