
Bei der Jahrestagung des Verbands Service und Fahrrad in Leipzig zeigten erfahrene Branchenkenner dem Fachhandel Wege aus der Krise.
Wenn ein Redner nicht mit höflichem Applaus von der Bühne verabschiedet wird, sondern auf Wunsch des Publikums weitersprechen soll, dann hat er offenbar einen Nerv getroffen. Genau so erging es Alexander Thusbass, Chef des Pedelec-Herstellers Hepha Deutschland. Nachdem er bereits länger gesprochen hatte, fragte er die rund 250 Teilnehmenden der VSF-Jahrestagung am 23. November in Leipzig, ob er aufhören solle – oder ob sie noch zuhören wollten. Die klare Antwort: Bitte weitermachen.
Thusbass benannte deutlich, was derzeit im Markt hakt. Es fehle an überzeugenden Innovationen; schnelles Laden sei sinnvoller, als immer größere Akkus einzubauen. Die Zukunft des Pedelecs sieht er nicht nur als Verkehrsmittel, sondern auch als Lastenträger für Waren und Personen. Viele Rednerinnen und Redner waren sich mit dem Handel einig: Das Fahrrad bleibt eine Erfolgsgeschichte – auch wenn derzeit Wirtschaftsnachrichten Sorgen bereiten und manchen Händlerinnen und Händlern graue Haare wachsen lassen.
Konkrete Empfehlungen lieferte Dominik Nussbaum von der Handelsberatung BBE. Wer erfolgreich sein wolle, müsse seine Zahlen im Griff haben und Liquidität sichern. Die Werkstatt müsse produktiv arbeiten – messbar am Verhältnis von abgerechneten zu theoretisch möglichen Arbeitswerten. Im Aftersales gelte es, Kundinnen und Kunden systematisch nachzufassen und aktiv zu kontaktieren.
Viel diskutiert wurde auch das Online-Marketing. Einige Händler berichteten, wie sie einfach losgelegt hatten, mit einfachsten Videos, und damit sogar neue Kundschaft gewannen. Andere zweifelten am Nutzen des Zeitaufwands. Konsens herrschte dennoch darüber, dass Kundinnen und Kunden bereits online recherchieren und deshalb auch dort auf Informationen zum lokalen Fachhandel stoßen sollten. Besorgniserregend war die in einer Umfrage dargestellte offensichtliche Unkenntnis des Handels, wie viele Kunden sich bereits auf der Homepage des Fahrradherstellers recherchieren. Hier muss der Kunde zum Fachgeschäft vor Ort gelenkt werden.
Leasing: Sinkt der Aufwand?
Das Tagungsprogramm war dicht gefüllt: Seminare, Workshops, Panels und Vorträge behandelten zentrale Fragen der Branche. Intensiv erörtert wurde zudem die Einführung von Überführungskosten als Reaktion auf gestiegene Leasingkosten. VSF-Geschäftsführer Uwe Wöll warnte eindringlich vor pauschalen Aufschlägen, da diese auch solche Lieferanten treffen würden, die mit hochwertiger Montage nur geringe Mehraufwände verursachen – ebenso wie Leasinganbieter, die den Handel bislang nicht mit Rabattforderungen belastet haben.
Eine gute Nachricht gab es jedoch: Zwar sei eine einheitliche Eingabemaske aller Leasinganbieter unrealistisch, doch eine externe Transferlösung liege nahe. „Der Bedarf und die Not sind groß“, so Wöll. „Es würde mich sehr wundern, wenn hier nicht bald ein kommerzieller ‚Übersetzer‘ einspringt und die Personalaufwendungen im Handel spürbar senkt.“
Handelsdialog gut besucht
Am Montagnachmittag schloss sich der „Handelsdialog“ an – eine begleitende Ausstellung mit zahlreichen Herstellern, Marken und Dienstleistern aus der Fahrradbranche. Hier wurde direkt diskutiert, vernetzt und Neues entdeckt. Die Bandbreite der präsentierten Lösungen verdeutlichte, wie vielfältig die Wertschöpfungs- und Dienstleistungsstrukturen im Fahrradhandel heute sind.
Gemeinsam stark in unsicheren Zeiten
Die VSF-Jahrestagung 2025 zeigte: Der Fahrradfachhandel steht vor großen Herausforderungen – von wirtschaftlichem Druck über neue rechtliche Anforderungen bis hin zur Digitalisierung. Gleichzeitig bot die Veranstaltung konkrete Ansätze, wie Händlerinnen und Händler ihre Zukunft aktiv gestalten können. Mit Fokus auf Teamresilienz, rechtssichere Prozesse, moderne Vertriebskonzepte und innovative Technologien machte der VSF deutlich, dass er auch nach 40 Jahren mehr ist als ein Verband: Er ist Plattform, Netzwerk und Impulsgeber zugleich.

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