Unfall-Hartnäckigkeit: Hier stößt moderne Fahrzeugtechnik an ihre Grenzen

Trotz aller technischen Fortschritte: Manche „klassische“ Unfallszenarien sind nach wie vor ein Problem, wie zum Beispiel Baumkollisionen. © DEKRA
Trotz aller technischen Fortschritte: Manche „klassische“ Unfallszenarien sind nach wie vor ein Problem, wie zum Beispiel Baumkollisionen. © DEKRA

Moderne Fahrzeugtechnik, hochentwickelte Assistenzsysteme und verbesserte Infrastruktur haben in den vergangenen Jahrzehnten die Verkehrssicherheit deutlich erhöht und die Zahl der tödlichen Unfälle ist im Langzeittrend rückläufig. Dennoch weisen die Unfallforscher der DEKRA auf hartnäckige Risikofelder hin.

„Allerdings bleiben ‚klassische‘ Szenarien wie Baumunfälle, Auffahrunfälle am Stauende, Lkw-Abbiegeunfälle oder Kollisionen mit ungeschützten Verkehrsteilnehmern ein Problem“, sagt DEKRA-Unfallforscherin Stefanie Ritter. Der DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2025 „Mobilität im Wandel der Zeit“ zeigt anhand verschiedener Unfallbeispiele auf, wo es für weitere Fortschritte anzusetzen gilt, da die Technik an ihre Grenzen stößt oder die Infrastruktur unzureichend ist.

 

Baumunfälle: Das unerbittliche Risiko auf Landstraßen

Kollisionen mit Bäumen gehören nach wie vor zu den schwersten Verkehrsunfällen auf Landstraßen, da ein Baum keinen Fehler verzeiht. Oft genügt bereits ein kurzer Moment der Ablenkung oder eine minimal überhöhte Geschwindigkeit, um das Fahrzeug ins Schleudern zu bringen. Zwar sind moderne Pkw heute mit Stabilitätskontrollsystemen, Fahrspurassistenten und hochentwickelten Rückhaltesystemen ausgerüstet, doch diese Technik kann die Gesetze der Physik nicht außer Kraft setzen, gibt Stefanie Ritter zu bedenken. Die Hauptursache bei Baumkollisionen bleibe unangepasste Geschwindigkeit, häufig kombiniert mit nasser oder verschmutzter Fahrbahn. Zukünftig können präventive Systeme, die das unbeabsichtigte Verlassen der Fahrbahn aktiv verhindern, eine zentrale Rolle spielen, indem Spurverlassenswarner, kamerabasierte Assistenzsysteme und vernetzte Fahrzeugsensorik frühzeitig eingreifen. Oft sind diese Systeme aber auf entsprechende Infrastruktur angewiesen – etwa ein Spurverlassenswarner, der sich an der Fahrbahnmarkierung orientiert. Überdies müssen vorhandene Bäume durch geeignete Schutzeinrichtungen gesichert werden und gegebenenfalls sollte die vorgegebene Geschwindigkeit angepasst werden, wobei neue Bäume, wenn überhaupt, mit ausreichendem Abstand zur Straße gepflanzt werden sollten.

 

Die Schwächsten im Verkehr bleiben besonders gefährdet

Am verletzlichsten sind seit jeher Verkehrsteilnehmende auf zwei Rädern oder zu Fuß, da sie keine Knautschzone haben, was sich auch in Zukunft nicht ändern wird. Das Hauptziel muss daher die Vermeidung dieser Unfälle oder zumindest die Reduzierung ihrer Schwere sein. Zwar haben viele Maßnahmen wie fußgängerfreundlichere Fahrzeuggeometrien, reduzierte Geschwindigkeiten innerorts, bessere Scheinwerfer und Aufklärungskampagnen dazu geführt, dass die Zahlen der getöteten zu Fuß Gehenden gesunken sind. Allerdings stagnieren diese Zahlen seit einigen Jahren oder steigen in einigen Ländern sogar wieder an. Besonders gefährlich sind Situationen, in denen Fußgänger schlecht erkennbar sind oder Verkehrsregeln missachten. Obwohl Notbremsassistenten mit Fußgängererkennung immer besser und immer weiter verbreitet werden, kann dieser Negativtrend nur in Verbindung mit anderen Entwicklungen umgekehrt werden, prognostiziert die DEKRA Expertin. Dazu zählen Verbesserungen bei der Infrastruktur, wie barrierefreie Querungen oder visuell klare Verkehrsführungen, aber auch das Verhalten der Verkehrsteilnehmenden selbst.

 

Toter Winkel bei abbiegenden Lkw

Kaum ein anderer Unfall ist für ungeschützte Verkehrsteilnehmende so folgenschwer wie die Kollision zwischen einem abbiegenden Lkw und einem Radfahrenden oder zu Fuß Gehenden, wobei in vielen Fällen der tote Winkel die Ursache ist. Dieser kann selbst durch zusätzliche Spiegel oder Kameras nicht vollständig eliminiert werden. Abbiegeassistenten, die akustisch und optisch warnen oder gar eine automatische Bremsung einleiten, sind inzwischen Pflichtausstattung in Neufahrzeugen. Dennoch bleibt die Zahl schwerer Abbiegeunfälle in europäischen Innenstädten nahezu konstant. Einer der Gründe ist, dass nach wie vor viele ältere Lkw noch ohne moderne Systeme im Einsatz sind. Zudem können selbst die besten Sensoren nicht jede Gefahr erfassen, etwa wenn Radfahrende durch parkende Fahrzeuge verdeckt sind. Neben der Einführung von Assistenzsystemen gibt es weltweit verschiedene Ansätze, um auf diese Unfallsituationen aufmerksam zu machen und sie zu verhindern. Dazu gehören primär Aufklärungskampagnen, die Rad- und Lkw-Fahrende für die drohenden Gefahren und die Sichtweise der jeweils anderen Seite sensibilisieren.

 

Eine Sekunde Unaufmerksamkeit kann tödlich enden

Auch Auffahrunfälle von Lkw stellen weiterhin ein erhebliches Gefahrenpotenzial dar, obwohl Gesetzgeber und Fahrzeughersteller eine Vielzahl von Maßnahmen ergriffen haben. Mit der Einführung moderner Bremssysteme konnten die Bremswege signifikant verkürzt werden, Notbremsassistenten erkennen Hindernisse und leiten im Notfall Fahrerwarnungen und eine Notbremsung ein. Abstandregeltempomaten gewährleisten den Sicherheitsabstand, während Spurhalteassistenten ein Verlassen der Fahrspur verhindern. Trotz dieser technologischen Fortschritte bleiben Ablenkungen durch Smartphones, Müdigkeit und Termindruck weiterhin wesentliche Ursachen für schwere Auffahrunfälle, berichtet Stefanie Ritter aus der Unfallforschung. Auch unzureichendes Wissen über die Funktion der Systeme könne zu falschen Reaktionen der Fahrenden führen. Vor allem in Baustellenbereichen oder bei plötzlichen Staus führe ein unaufmerksamer Moment, selbst wenn technische Hilfen vorhanden sind, schnell zu schweren Unfällen. Zukünftig könnte der Einsatz automatisierter Fahrfunktionen, unterstützt durch künstliche Intelligenz und eine vernetzte Infrastruktur, dazu beitragen, Auffahrunfälle nahezu zu eliminieren, so die DEKRA-Expertin. Die Kommunikation zwischen Fahrzeugen sowie mit der Infrastruktur könne ebenfalls ein wichtiger Beitrag sein, um frühzeitig vor potenziellen Gefahren zu warnen und so die Verkehrssicherheit weiter zu erhöhen.

 

Der vollständige DEKRA Verkehrssicherheitsreport 2025 zu diesem und weiteren Aspekten rund um die „Mobilität im Wandel der Zeit“ steht unter www.dekra-roadsafety.com zur Verfügung.

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