Bikesharing und Fahrradabos: Vom Nischenangebot zum zentralen Baustein der Verkehrswende?

Der Mobilitätssektor in Deutschland erlebt einen tiefgreifenden Wandel, angetrieben vom Prinzip „Nutzen statt Besitzen“. Bikesharing und private Fahrradabonnements gewinnen dabei zunehmend an Bedeutung und etablieren sich als feste Bestandteile des städtischen Verkehrs. 

Eine aktuelle Erhebung des Wirtschaftsverbands Zukunft Fahrrad liefert nun erstmals belastbare Marktzahlen für Deutschland und untermauert das gesellschaftliche sowie wirtschaftliche Potenzial dieser alternativen Mobilitätsformen. Flankiert wird dies durch eine EU-Studie, die positive Kosteneffekte für Kommunen aufzeigt und die Forderung nach einer stärkeren politischen Anerkennung und finanziellen Unterstützung lauter werden lässt.

 

 

Detaillierte Marktzahlen: Der aktuelle Bestand in Deutschland

 

Die Erhebung von Zukunft Fahrrad, dem Verband führender Anbieter von Sharing- und Abo-Modellen, schafft Klarheit über den Umfang dieser Angebote auf bundesweiter Ebene.

 

Über 215 000 Räder im Einsatz

Insgesamt sind laut der Erhebung über 215 000 Fahrräder im Bikesharing oder privaten Abo in Deutschland unterwegs.

  • Bikesharing: Aktuell sind 115 000 Bikesharing-Räder im Einsatz. Bemerkenswert ist der hohe Anteil an Elektrounterstützung: Darunter fallen mehr als 57 000 E‑Bikes und über 1 900 Lastenräder.

  • Fahrradabonnements: Rund 100 000 Fahrräder werden im privaten Abonnement genutzt. Diese Zahl umfasst keine gewerblichen Abo-Fahrräder (z. B. für Food Delivery, touristische Vermietung oder Dienstradleasing), deren Bedeutung ebenfalls hervorgehoben wird.

 

Gesellschaftlicher und kommunaler Mehrwert

 

Das Prinzip „Nutzen statt Besitzen“ senkt die Hürden für den Zugang zum Radfahren. Im Gegensatz zum Kauf bieten Abo- und Sharing-Modelle kalkulierbare monatliche Kosten sowie inkludierte Versicherungs- und Wartungskosten. Dies erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass die Räder jederzeit funktionstüchtig und damit nutzbar sind.

 

Die Vorteile für die Allgemeinheit sind weitreichend:

  1. Gesundheit: Regelmäßiges Radfahren trägt nachweislich zur eigenen Gesundheit bei und entlastet das Gesundheitssystem.

  2. Soziale Gerechtigkeit: Laut Wasilis von Rauch, Geschäftsführer von Zukunft Fahrrad, maximieren Sharing- und Abomodelle die Ressourcennutzung und bieten auch Menschen Zugang zum Rad, die sich keinen Kauf leisten können oder wollen. Er fordert die Politik auf, Mittel aus dem Klima-Sozialplan für Sozialtarife bei Bikesharing und Abos zu verwenden – anstatt sie ausschließlich in das diskutierte Social Leasing von E-Autos zu investieren.

  3. Öffentlicher Nahverkehr (ÖPNV): Für Kommunen haben Mieträder einen festen Platz im Verkehrsmix eingenommen. Ann-Kathrin Schneider, Geschäftsführerin der DEPOMM (Deutsche Plattform für Mobilitätsmanagement), betont, dass die Hälfte aller Nutzer Mieträder als Anschlussmobilität – also vor dem Einstieg in öffentliche Verkehrsmittel oder zur Bewältigung der letzten Meile – nutzen. Das Mietrad entlaste somit Busse und Bahnen, reduziere Pkw-Fahrten und sei ein wichtiger Teil des ÖPNV geworden, was eine entsprechende Finanzierung durch die Politik erfordere. Stimmen aus den Verkehrsverbünden (wie der VRN) unterstreichen die Rolle integrierter Mietradsysteme als zentralen Baustein des Umweltverbunds und der Daseinsvorsorge.

 

Gesamtgesellschaftliche Vorteile und Finanzierungsforderungen

 

Die Bedeutung von Bikesharing geht über die reine Mobilität hinaus, wie eine vom europäischen Verband Cycling Industries Europe und der EU beauftragte Studie von Ernest & Young untermauert. Die Analyse prognostiziert massive Kosteneinsparungen durch vermiedene Gesundheitskosten, erhebliche CO2-Einsparungen und eine Reduktion von Staus. Bikesharing wird somit als Schlüssel zu nachhaltiger, sozial gerechter und wirtschaftlich sinnvoller Mobilität positioniert.

 

Stimmen aus der Branche und den Kommunen fassen die zentralen Forderungen zusammen:

  • Finanzierung und Anerkennung: Die Akteure fordern die öffentliche Finanzierung und die Anerkennung von Mietradsystemen als Teil des Öffentlichen Nahverkehrs. Dies gelte auch angesichts des Kostenvorteils im Vergleich zu anderen öffentlichen Verkehrsmitteln, sowohl bei Investitions- als auch Betriebskosten, sowie des geringen Flächenverbrauchs (nextbike).

  • Flexibilität und Service: Abo-Modelle bieten sorgenfreie und flexible Mobilität mit Full-Service, was die Nutzung gesunder Alternativen fördert (Swapfiets, Dance, Riese & Müller).

  • Spezialisierte Angebote: Kommunale Programme (Stuttgarter Rössle für Lastenräder und Rössle Kids für Kinderfahrräder) unterstützen gezielt Familien und einkommensschwache Gruppen beim kostengünstigen Zugang. Freie Lastenrad-Sharing-Initiativen (Verband Freie Lastenräder) fördern soziale Teilhabe ohne Kostenbarrieren.

  • Multimodalität: Die nahtlose Verknüpfung mit der Bahn (DB Connect) und die Integration in multimodale, eng verzahnte lokale Mobilitäts-Ökosysteme (Dott) gelten als entscheidend für eine erfolgreiche Verkehrswende.

 

Die erstmalige Erhebung von Marktzahlen durch Zukunft Fahrrad belegt eindrücklich, dass Bikesharing und Fahrradabos mit über 215 000 Rädern in Deutschland keine Randerscheinung mehr sind. Sie haben sich als effektive Instrumente zur Förderung von Gesundheit, sozialer Gerechtigkeit und nachhaltiger Mobilität etabliert. Die Analyse der positiven Kosteneffekte durch die EU-Studie liefert zusätzliche, gewichtige Argumente für eine stärkere Integration und Finanzierung. Die Kernforderung der Branche an die Politik ist klar: Die Mieträder müssen als unverzichtbarer Teil des ÖPNV anerkannt und entsprechend öffentlich finanziert werden, um ihr volles Potenzial für die Verkehrswende ausschöpfen zu können.

Weitere Informationen zu Marktzahlen, Methoden und Definitionen finden sich unter:

 

https://zukunft-fahrrad.org/marktzahlen-bikesharing-abos

 

Quelle: PM Zukunft Fahrrad

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