Radfahren lernen: Was ist ein Schonraum?

Das erste Fahrrad ist für Kinder der Einstieg in die Mobilität. Wie sie damit umgehen und sicher vorankommen, üben sie am besten in einem sogenannten Schonraum. Aber was verbirgt sich hinter dem Begriff und was müssen Eltern beachten? Der pressedienst-fahrrad liefert Antworten.


Um den Begriff Schonraum zu verstehen, sollte man zuerst die englischen Entsprechungen kennen. Diese lauten „protected space“ und „safe space of childhood“. Mit beiden Begriffen wird ein Schutzraum definiert, in dem sich Kinder und Jugendliche abseits von den Gefahren der Erwachsenenwelt bewegen und dabei die Welt frei nach ihren Bedürfnissen erkunden. Schonräume können dabei reale Orte sein oder auch eine künstlich arrangierte Umwelt. Deshalb findet man Schonräume, beispielsweise bei der Fernseh- und Internetnutzung und – ganz wichtig – bei der Verkehrserziehung. „Schonraumlernen bei Verkehrserziehung bedeutet in erster Linie, dass die Infrastruktur Fehler verzeiht und Gefahren minimiert werden“, erklärt Guido Meitler vom Kinderfahrzeugspezialisten Puky.

Verbindung zweier Welten

Verkehrserziehung soll dabei zwischen zwei Welten, der Verkehrsrealität der Erwachsenen und der Spielwelt der Kinder, eine Brücke schlagen. Um dies zu erreichen, wird nach dem Sportwissenschaftler und Pädagogen Siegbert A. Warwitz das methodische Lernen in drei Stufen gegliedert: Im Spielraum wird das Kind mit dem Thema vertraut gemacht. Im Simulationsraum werden erste gefahren-entschärfte Trainings absolviert. Diese beiden Räume werden unter dem Begriff Schonraum zusammengefasst. Der dritte Raum ist der Realraum, also das Fahren im Verkehr.

Spielend lernen, zu Hause oder unterwegs

Um Kinder nun spielerisch an das Radfahren heranzuführen, sind Übungen im Spielraum enorm wichtig. Mit Rutschfahrzeugen und Laufrädern unternehmen sie bereits im Vorfeld erste Versuche, sich ihre Mobilität zu erschließen. „Spielräume können dabei in der Kita oder auch im eigenen Wohnzimmer entstehen. Es muss nur gewährleistet sein, dass der natürliche Bewegungsdrang mit altersgerechten Fahrzeugen in sicherer Umgebung ausgelebt werden kann. Das weckt die Lust auf Mobilität“, so Meitler. Kinder lernen dabei, Geschwindigkeiten besser einzuschätzen, zu bremsen und zu lenken.

Beim Fahren mit Laufrädern üben sie das Balance-Halten, was später wichtig fürs Radfahren ist. Im gemeinschaftlichen Spielen mit anderen Kindern erlernen sie auch erste Regeln. Immer beliebter bei Kindern und Eltern sind dabei Mountainbikes. Denn Waldwege oder leichte Trails sind ebenfalls ein möglicher Spielraum. „Wenn sie erste Hindernisse wie kleine Wurzeln oder Äste überfahren, lernen Kinder einen gezielteren Umgang mit ihrem Rad in einem sicheren Umfeld. Von diesem Können profitieren sie später, wenn sie im Verkehr unterwegs sind“, weiß Svenja Kohnke, verantwortlich für die Kinderfahrradmarke Early Rider beim Online-Händler Bike Components.

Gefahren simulieren

Bei Simulationsräumen handelt es sich hingegen um realitätsnahe Verkehrsarrangements, in denen verkehrsgerechte Situationen geübt werden. Das kann z. B. auf einem verkehrsarmen Parkplatz, einem Sportplatz oder einem Schulverkehrsgarten sein. „Besonders wichtig ist hier das Interagieren mit Fußgänger:innen und anderen Radfahrer:innen. Deshalb kann man gerne auch mal Markierungen wie Zebrastreifen oder Bremslinien auftragen und das richtige Verhalten üben“, so ein Tipp von Guido Meitler. Das schult die Kinder im Umgang mit Verkehrsteilnehmer:innen unterschiedlicher Geschwindigkeit. Aber auch das Erlernen von Verkehrsregeln gehört mit dazu. Hier sind auch Schulen beteiligt, die beispielsweise durch die Verkehrserziehung oder auch spezielle Übungen Kinder auf den Verkehr vorbereiten. Wichtig dabei: Gleich beim Lernen im Schonraum sollten die Kinder einen passenden Helm tragen. „So gewöhnen sie sich bereits bei den ersten Fahrten an den Kopfschutz und haben idealerweise im Kindersitz oder ‑anhänger weitere Erfahrungen gesammelt. Beim Fahren im richtigen Verkehr sind sie dann deutlich besser geschützt“, sagt Torsten Mendel vom Helmhersteller Abus.

Unterstützen bei ersten richtigen Versuchen

Die dritte Lernstufe ist schließlich das sogenannte „Realraumlernen“, also die direkte Konfrontation mit dem Straßenverkehr und seinen möglichen Gefahren. Kinder sind in der Regel bis zu ihrem zehnten Lebensjahr kognitiv noch nicht weit genug entwickelt, um sich alleine komplett sicher im Straßenverkehr zu bewegen. Wo Risiken entstehen, ist es wichtig, mit Kindern direkt zu sprechen und auf ein mögliches Fehlverhalten hinzuweisen. Deshalb ist es wichtig, dass Eltern die Kinder im Verkehr anfänglich begleiten, denn die Schonraumübungen können nicht eins zu eins auf den alltäglichen Verkehr übertragen werden.

Für die reale Verkehrserziehung ist die frühzeitige Mitnahme der Kinder, beispielsweise in einem Fahrradanhänger, Lastenrad oder Kindersitz, wichtig. „Kinder schauen sich sehr viel von ihren Eltern ab – gerade auch beim Thema Straßenverkehr. Durch die Mitfahrt im Anhänger lernen sie, wie man sich als Radfahrende im Verkehr richtig verhält. Ein wichtiger Punkt für die eigene Mobilität“, sagt Hanna Grau vom Anhängerspezialisten Croozer. Um die Kinder noch besser zu schützen und eine kinderfreundliche Infrastruktur zu ermöglichen, braucht es aber auch Änderungen in den Kommunen und der Politik, wie sie unter anderem der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC e. V.) empfiehlt. Mehr Tempo 30 in den Städten und auch vor Schulen und Kindergärten würden helfen, die Sicherheit für Kinder, egal ob mit Rad oder zu Fuß, deutlich zu verbessern.

 


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Text: Thomas Geisler | pressedienst-fahrrad