Neue Sicherheitsstandards für Pedelecs: Beschleunigungsgrenze von 0,835 m/s² gefordert

Neue Sicherheitsgrenze für Pedelecs: Begrenzung der Beschleunigung auf 0,835 m/s² gefordert © velotech.de
Neue Sicherheitsgrenze für Pedelecs: Begrenzung der Beschleunigung auf 0,835 m/s² gefordert © velotech.de

Ein aktuelles Forschungsprojekt, das ursprünglich zur Regulierung von Elektrobussen durchgeführt wurde, liefert nun überraschende und wichtige Erkenntnisse für die Pedelec-Branche. Fachleute fordern auf Basis dieser Ergebnisse die Einführung einer verbindlichen, softwarebasierten Beschleunigungsgrenze von 0,835 m/s² für Pedelecs.

Hintergrund: Erkenntnisse aus dem ÖPNV

 

Der Anstoß für diese Forderung kam von einer im Januar 2025 veröffentlichten Studie mit dem Titel Antonyan et al., Vehicles. Die Untersuchung beschäftigte sich mit dem russischen E-Bus KAMAZ 6282, bei dem ein spezieller PI-Regler implementiert wurde, um Beschleunigungsspitzen beim Anfahren automatisch zu begrenzen.

 

Die Ergebnisse waren deutlich: Ohne diese Software-Lösung erreichte der Bus eine Beschleunigung von bis zu 2,5 m/s². Mit der Implementierung wurde die Beschleunigung zuverlässig auf 1,5 m/s² reduziert. Die dabei eingeführte Kennzahl „cumulative velocity“ belegte, dass die Fahrsicherheit um mehr als 50 % verbessert werden konnte.

 

 

Übertragung auf Pedelecs

 

Die Erkenntnisse sind für die Welt der Pedelecs hochrelevant, da auch hier das hohe Drehmoment der Motoren bei niedrigen Geschwindigkeiten zu abrupten und potenziell gefährlichen Beschleunigungen führen kann. Besonders für Fahranfänger oder ältere Menschen stellt dies ein erhebliches Sicherheitsrisiko dar.

Ernst Brust, öffentlich bestellter und vereidigter Sachverständiger für Mikromobilität, erklärt: „Was für stehende Fahrgäste im Bus gefährlich ist, kann Radfahrende auf zwei Rädern ins Schleudern bringen.“

 

 

Die neue Forderung: 0,835 m/s²

 

Während für Elektrobusse 1,5 m/s² als Komfortgrenze gilt, liegt der sinnvolle Grenzwert für Pedelecs deutlich niedriger. Die Experten schlagen einen Wert von 0,835 m/s² vor. Dieser Grenzwert soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen Fahrsicherheit und Alltagstauglichkeit bieten. Die Umsetzung wäre technisch unkompliziert, da lediglich ein Software-Update der Motorsteuerung erforderlich wäre.

 

 

Vorteile einer Beschleunigungsgrenze

 

Eine verbindliche Beschleunigungsgrenze würde mehrere positive Effekte mit sich bringen:

  • Mehr Sicherheit: Es gäbe weniger Kontrollverluste beim Anfahren, besonders in Kurven und im dichten Stadtverkehr.

  • Mehr Komfort: Die sanftere Kraftentfaltung würde allen Nutzergruppen den Fahrspaß erhöhen.

  • Weniger Verschleiß: Die Komponenten des Antriebs würden durch reduzierte Lastspitzen geschont, was die Lebensdauer verlängert.

  • Fairerer Wettbewerb: Eine einheitliche Regelung würde verhindern, dass Hersteller mit immer aggressiveren Motorcharakteristiken werben.

Fazit:

Die Erfahrungen aus dem öffentlichen Nahverkehr zeigen, dass softwarebasierte Beschleunigungsbegrenzungen technisch erprobt und wirksam sind. Die Einführung einer verbindlichen Grenze von 0,835 m/s² für Pedelecs wäre ein entscheidender Schritt, um diese Fahrzeuge noch sicherer und zuverlässiger in den urbanen Verkehr zu integrieren und somit einen wichtigen Beitrag zur Verkehrssicherheit zu leisten.

 

Quelle: PM www.velotech.de — Ernst Brust

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Kommentare: 1
  • #1

    Stefan Kulms (Donnerstag, 18 September 2025 09:45)

    Der ZIV und einige Antriebshersteller haben diese Diskussion um zusätzliche Leistungsbeschränkung von Pedelecs angestossen. Deren Ansatz sieht eine Beschränkung der Motorleistung auf 650 Watt vor. Dieser Vorschlag scheint für die nutzung sportlicher Pedelec sinnvoll, benachteiligt aber Lastenpedelec und ist für unerfahrene Fahrer immernoch zu hoch.

    Grundsätzlich stellt sich aber die Frage, warum es eine zusätzliche Leistungsbeschränkung für Pedelec braucht, wenn diese weiterhin nur bis 25 km/h elektrisch unterstützt werden dürfen und jeder die Untestützungsstufe nach dem eigenen Bedarf einstellen kann. Nachdem mächtige Lobbyisten die Katze aus dem Sack gelassen haben, ist eine breite Diskussion mit Offeneheit für bessere Lösungen sehr wünschenswert.

    Vor diesem Hintergrund ist der Vorschlag von Ernst Brust und einigen anderen Experten sehr zu begrüßen. Es ist nicht abzusehen, ob eine Limitierung der Beschleunigung schon die beste Lösung ist, sie berücksichtigt aber weit besser die Bedarfe aller Pedelec Kategorien als das 650 Watt Limit.

    In diesem Artikel von Velototal wird ohne zusätzliche Erklärung der Wert von 0,835 m/s² als maximal zulässige Beschleunigung definiert. Eine Zahl für die Beschleunigung ist für fast jeden sehr abstakt und nur wenige können sich vorstellen, ob das viel oder wenig ist. Wenn Passagiere in einem Buß bei fast der doppeten Beschleunigung noch stehen können stellt man sich schon die Frage, warum nicht 1,4 m/s².

    Für eine breite Unterstützung aus der Branche und der Gesellschaft sollten greifbare Beispiele angeführt werden. Ideal wäre ein Vergleich mit der maximalen Beschleunigung von Pedelec Antrieben, die heute am Markt weit verbreitet sind. Vielleicht könnt ihr diese Informationen im Artikel ergänzen oder einen weiteren Betrag online stellen.



    Der Vorschlag zur Einführung einer zusätzlichen Leistungsbeschränkung von Pedelecs über die Beschleunigung soll als Gegenvorsch