Da es sich beim Radfahren um eine Ausdauersportart handelt, ziehen sich viele Radler im Laufe ihres Lebens eine der häufigsten Sportverletzungen zu: die Muskelermüdung. Insbesondere nach Langstreckentouren kann sich diese auch in Zerrungen oder Muskelfaserrissen manifestieren.
Anhänger verschiedener Sportarten leiden im Laufe ihres Lebens oftmals unter unterschiedlichen Sportverletzungen. Während sich Fußballspieler häufig Bänderrisse zuziehen, sind Läufer oftmals von Sehnenentzündungen betroffen und der Tennisarm wurde sogar nach einer seiner – bis vor einigen Jahren – häufigsten Ursachen, dem Tennisspiel, benannt. Radfahren stellt hingegen grundsätzlich eine sehr gesunde und verletzungsarme Sportart dar: Es trainiert das Herz-Kreislauf-System und schont die Gelenke, weil diese anders als bei anderen Sportarten weder durch abrupte Bewegungen noch Sprünge starken Kompressionen ausgesetzt werden. Stattdessen haben Radsportler im Alter sogar seltener Arthrose, weil ihre Gelenke durch die regelmäßige Bewegung besser mit Gelenkflüssigkeit versorgt wurden. Lediglich gefährlichere Disziplinen wie Mountainbiking weisen ein höheres Risiko für Stürze und daraus resultierende Verletzungen wie Knochenbrüche oder gar Wirbelsäulen- oder Schädelhirntraumata auf. Da es sich beim Radfahren um eine Ausdauersportart handelt, ziehen sich viele Radler im Laufe ihres Lebens allerdings eine der häufigsten Sportverletzungen zu: die Muskelermüdung. Insbesondere nach Langstreckentouren kann sich diese auch in Zerrungen oder Muskelfaserrissen manifestieren.
Zerrung oder Riss?
Zu einer Muskelzerrung kommt es durch eine Überdehnung des Muskels. Ursache ist oft eine plötzliche Überbelastung, insbesondere bei ungewohnten Bewegungen, aber auch eine stetige Belastung auf
einer langen Radtour kann zu einer Zerrung führen. Besonders häufig betrifft diese die Oberschenkel- und Wadenmuskulatur. Sie macht sich oftmals durch diffuse Schmerzen bei Belastung oder
Anspannung des Muskels bemerkbar. Bei Verdacht auf eine Zerrung sollten Betroffene jegliche sportliche Aktivität abbrechen und möglichst schnell handeln. Als optimale Erste-Hilfe-Maßnahme gilt
das PECH-Schema: Pause, Eis, Compression und Hochlagern. Je nach Umfang und Ausmaß der Verletzung sollte der betroffene Muskel etwa vier bis sechs Tage ruhen. Wie die Zerrung wird auch der
Muskelfaserriss durch eine Überlastung verursacht. Allerdings sind die Muskeln bei ihm in einem stärkeren Ausmaß geschädigt, weil in diesem Fall einige Fasern sogar gerissen sind. Deshalb geht
mit ihm oftmals auch ein Bluterguss einher. Wenn zusätzlich noch eine Beule oder Delle an der betroffenen Stelle auftritt oder beim Gehen starke Schmerzen und Funktionsdefizite zu spüren sind,
sollte unbedingt ein Arzt aufgesucht werden, da diese auf einen Muskelbündel- oder Muskelriss hinweisen können. Bei einem normalen Faserriss gelten allerdings wie auch bei der Zerrung das
PECH-Schema und die Ruhigstellung des betroffenen Muskels. Zusätzlich kann bei beidem eine physiotherapeutische Behandlung sinnvoll sein, da sie zur Entspannung der verletzten Muskelregion
beiträgt und damit die Regenerationsfähigkeit fördert.
Gut vorbereitet
Um Muskelüberlastungen zu vermeiden, sollten Radfahrer für Langstreckentouren immer in Etappen trainieren und niemals unvorbereitet losfahren. Neben regelmäßigem Training auf dem Rad gehören dazu
auch gezielte Übungen für die stark beanspruchte Muskulatur. Die relevanten Muskelgruppen beim Radfahren sind dabei die Wadenmuskulatur, die hintere Oberschenkelmuskulatur (Hamstrings), die
vordere Oberschenkelmuskulatur (Quadrizeps), die Gesäßmuskulatur und die Hüftbeuger. Neben klassischen Kräftigungsübungen für zu Hause wie Kniebeugen oder Ausfallschritten kommen im Training
inzwischen auch schon smarte Beinpressen wie der sogenannte ddrobotec zum Einsatz, die nicht mit herkömmlichen Steckgewichten arbeiten, sondern basierend auf einer künstlichen Intelligenz die
Funktion der menschlichen Muskulatur simulieren und so ein effektiveres Training ermöglichen. Direkt vor der Fahrt sollten alle relevanten Muskelgruppen außerdem aufgewärmt und gedehnt werden.
Eine Überlastung macht sich in den meisten Fällen erst durch regionale Schmerzen in der Muskulatur bemerkbar, wenn es zu spät ist. Wer auf sein Körpergefühl hört, kann erste Anzeichen aber auch
schon während der Fahrt wahrnehmen. Als guter Test bietet sich an, zwischendurch kurz vom Rad abzusteigen, einige Schritte zu gehen und sich zu dehnen und zu strecken. Wenn sich der Beinbereich
dabei schon verkrampft anfühlt und die Muskeln nicht richtig locker werden, signalisieren sie, dass sie ihr Limit erreicht haben. In diesem Fall sollte die Tour am besten abgekürzt oder zumindest
in einem langsameren Tempo beendet werden, um weitere Überlastungen zu vermeiden.
Nach dem Sport
Im Anschluss an die Tour sollte die belastete Muskulatur gelockert und gedehnt werden. Dabei auch unbedingt an den Rücken denken: Während des Radfahrens war er die ganze Zeit nach vorne gebeugt,
deshalb sollte er nun auch in die entgegengesetzte Richtung – also nach hinten − gedehnt werden. Derzeit beliebte rhythmisch schlagende Massagegeräte eignen sich nicht zur Selbsttherapie bei
Überlastungen. Sie sollen angeblich die Durchblutung sowie die Sauerstoffzufuhr in den Zellen der Muskulatur verbessern und die Regeneration fördern. Allerdings kennen unausgebildete Anwender die
Anatomie der Muskeln und Faszien nicht, deswegen können sie durch eine Selbstbehandlung ihre Beschwerden im schlimmsten Fall sogar noch verstärken. Stattdessen besser die strapazierte Muskulatur
zwei- bis dreimal am Tag gezielt mit der Faszienrolle lockern. Bei Verhärtungen der Muskeln hilft außerdem Wärme, um die Muskeln zu entspannen, die Durchblutung anzuregen und so die Verspannung
schneller zu lösen. Neben Wärmflaschen und Kirschkernkissen kann dabei auch eine sogenannte heiße Rolle zum Einsatz kommen. Darunter verstehen Experten zwei stramm in Trichterform aufgerollte
Handtücher, die mit heißem Wasser getränkt und anschließend zur Druck- oder Tupfmassage genutzt werden können. Diese feuchte Wärme dringt besser in die Muskulatur ein als trockene Wärme. Wer die
heiße Rolle zu Hause einsetzen möchte, sollte sich die richtige Technik allerdings vorher vom Fachmann zeigen lassen, um sich nicht zu verbrühen.
Weitere Informationen unter www.reha-bonn.de
Autor: Andreas Stommel, leitender Physiotherapeut des Bonner Zentrums für Ambulante Rehabilitation