Fahrradhandel trotz der Krise

Experten aus Fahrradhandel, Fahrradverbänden und Fachjournalisten im Video-Chat ©Velototal
Experten aus Fahrradhandel, Fahrradverbänden und Fachjournalisten im Video-Chat ©Velototal

Unter strengen Auflagen darf der Fahrradhandel ab dem 20. April 2020 wieder öffnen. Das gab die Bundeskanzlerin, im Rahmen einer Telefonkonferenz beschlossen mit den Länderchefs, bekannt.

Doch genügt das? Das haben heute Experten aus Fahrradhandel, Fahrradverbänden und Fachjournalisten diskutiert. Ein mögliches Ziel: einen Dachverband Fahrradwirtschaft etablieren.

Die Chancen für den Fahrradhandel, das Saisongeschäft doch noch gewinnbringend zu überstehen, stehen gut. Laut einer Mitteilung der Bundesregierung werden die Beschränkungen im öffentlichen Leben zum Schutz vor einem Anstieg der Infektionen mit dem Coronavirus teilweise gelockert. So dürfen zunächst Läden mit einer Verkaufsfläche von bis zu 800 Quadratmetern wieder den Betrieb aufnehmen. Das entspricht etwa der Größe eines mittelgroßen Supermarkts.

Die Größenbeschränkung gilt allerdings nicht für Fahrradläden, Autohäuser sowie Buchhandlungen. Sie dürfen unabhängig von der Größe wieder öffnen. Die Regelung gilt seit Montag, dem 20. April 2020. In Bayern allerdings erst eine Woche später. Allerdings muss der Handel strenge Auflagen zur Hygiene, zur Steuerung des Zutritts und zur Vermeidung von Warteschlangen erfüllen. Darüber hinaus wird Tragen von „Alltagsmasken“ empfohlen. Unabhängig, ob dies verpflichtend sein wird, der Fahrradhandel wird von den Lockerungen profitieren.

 

Davon sind Experten aus Fahrradhandel, Fahrradverbänden und Fachjournalisten überzeugt. Im Rahmen eines Expertengesprächs, organisiert vom Pressedienst-Fahrrad, wurde die Lage der deutschen Fahrradbranche vor dem Hintergrund der Corona-Krise diskutiert. Als einen sehr großen Erfolg sieht dabei Burkhard Stork, dass „die Fahrradläden explizit in der Regierungserklärung erwähnt wurden“. Storck ist GF des ADFCs und ist stolz auf die mittlerweile hohe politische Bedeutung der Fahrradmobilität. „Der Branche gelang es, das Fahrrad als systemrelevantes Teil der Mobilität zu etablieren“.

 

Ganz im Sinne der individuellen Mobilität

Auch Siegfried Neuberger, Geschäftsführer des Zweirad-Industrie-Verbands, sieht die Fahrradmobilität „endlich in der Politik angekommen“. Seiner Ansicht nach hat dazu auch der offene Brief an die Ministerpräsidenten der Länder und die Chefs der Wirtschaftsressorts beigetragen, der Anfang April verfasst wurde[LINK: https://www.vsf.de/presse/pressemitteilungen/detail/news/fahrradhandel-ist-garant-fuer-individuelle-nahmobilitaet/].

Darin hat sich ein großes Bündnis aus der Fahrradbranche dafür ausgesprochen, Fahrradgeschäfte trotz Ladenschließungen zu öffnen. Die Unterzeichner, unter denen unter anderem ZIV, ZEG, BVZF, VSF, VDZ und ADFC gehören, wollen damit die Versorgung mit Ersatzteilen, Fahrrädern und Zubehör sicherstellen. Immerhin steigen jetzt immer mehr Menschen aufs Fahrrad um.

 

In der Zoom-Konferenz lobt Neubauer ebenso wie Jörg Müsse von BICO auch ausdrücklich die gute und enge Zusammenarbeit der Verbände. In dem Schreiben wurde das Thema nicht überreizt und das Anliegen „nicht nur auf die ökonomischen Folgen reduziert“. Der Fokus lag Aufrechterhaltung der individuellen Mobilität.  Für Albert Herresthal vom Verbund Service und Fahrrad (VSF) war es der beste strategische Zeitpunkt sich zu melden. Doch genügt das, um sich gegen die Automobilbranche zu behaupten, die sich bereits mit Forderungen nach hohen Subventionen in Stellung bringt?

 

Kommt ein Dachverband Fahrradwirtschaft?

Heiko Müller mahnt vor diesem Hintergrund, unbedingt das Momentum zu nutzen und den Druck auf die Politik zu erhöhen. „Wir dürfen nicht zu passiv reagieren“, so der Unternehmensgründer von Riese & Müller. Er will deutliche Akzente setzen. Denn im Kern geht es darum, die Leute auch nach der Corona-Krise zum Umsteigen zu bewegen: raus aus dem Automobil, rauf aufs Fahrrad. In dem Punkt sich alle sich einig. Ebenso wie die Schlagkraft einer engen Zusammenarbeit. Nur so könnte der Automobil-Lobby wirkungsvoll Paroli geboten werden.

 

Um sich auch künftig mehr Gehör in der Politik zu verschaffen, bringen Manche bereits eine Art Dachverband der Fahrradwirtschaft ins Spiel. Dieser soll dann ähnlich dem Verband der Automobilindustrie (VDA), als Interessenverband der deutschen Fahrradhersteller und -zulieferer in Berlin für mehr Fahrradmobilität sorgen. Als vorbereitende Maßnahme könnte ein "Runder Tisch" etabliert werden, der vorsichtig betrachtet, im kommenden Jahr seine Arbeit aufnehmen könnte.

 

Artikel: Velototal - Andreas Burkert