Adelheid Morath und Markus Schulte-Lünzum haben in Bad Säckingen die Deutschen Meistertrikots in der olympischen Cross-Country-Disziplin erobert. In der U23-Klasse der Damen siegte Lena Wehrle.
In den Masters-Kategorien waren es die Vorjahres-Sieger, die erneut gewinnen konnten. Nach der ersten Haibike eMTB-Meisterschaft berichteten die Teilnehmer teilweise euphorisch von ihren Eindrücken.
Der Himmel hatte gerade seine Schleusen zugemacht, da stand Adelheid Morath im Ziel und vergoss Freudentränen. Gerade hatte sie ihren ersten Cross-Country-Titel seit Junioren-Zeiten (2001 und 2002) perfekt gemacht. "Mir fällt ein Stein vom Herzen", bekannte sie. Die Anspannung war vor dem Rennen wohl groß gewesen.
"Ich bin überglücklich. Ich wusste, dass ich in guter Form bin, und wollte einfach meinen Rhythmus fahren. Ich hatte noch Reserven, für den Fall, dass die von hinten Druck machen. Das war der Plan, und er ist aufgegangen. Ich kann es noch gar nicht fassen", erklärte Morath.
Die Freiburgerin lieferte im Regen von Bad Säckingen eine eindrucksvoll konzentrierte Vorstellung ab. In starker körperlicher Verfassung angetreten, war die knapp 30-Jährige auf dem schwierigen Untergrund auch mental auf der Höhe. In der ersten Runde folgte sie dem Tempo von Helen Grobert. So entstand bereits eine erste Lücke zu Titelverteidigerin Sabine Spitz. In Runde zwei von fünf zog Morath am Berg das Tempo etwas an und war fortan alleine an der Spitze. Allerdings war der Rückstand von Helen Grobert und dann von Sabine Spitz nie so groß, dass sich die Schwarzwälderin in Sicherheit fühlen konnte.
Sabine Spitz drehte in der dritten Runde auf, überholte Grobert und verringerte ihren Rückstand von 25 auf 18 Sekunden. Doch dann unterlief der 16-fachen Deutschen Meisterin in einer rutschigen Abfahrt ein Fehler, und der Rückstand wuchs auf 30 Sekunden an. Adelheid Morath leistete sich vorne keinen Wackler, und als Sabine Spitz ein zweites Mal wegrutschte und dadurch Helen Grobert erlaubte, wieder heranzufahren, war eine Vorentscheidung gefallen.
"Die Strecke hat sich halt jede Runde verändert, und da war es schnell mal passiert, dass man wegrutschte", erklärte Spitz. 53 Sekunden trennten die beiden Teamkolleginnen am Ende. Spitz sicherte sich Silber, nachdem sie am vorletzten Anstieg gegenüber Grobert noch ein paar Radlängen herausfahren konnte und den Vorsprung routiniert ins Ziel brachte. U23-Fahrerin Grobert (Focus XC) wurde mit 57 Sekunden Rückstand auf Morath (1:10:00) Dritte und holte damit ihre erste Medaille in der Elite-Kategorie.
Die 42-jährige Olympiasiegerin meinte nach dem Duell der Generationen: "Ich hatte etwas Probleme mit dem Magen und konnte meine Leistung nicht hundertprozentig abrufen. Unter diesen Umständen muss ich zufrieden sein mit der Silbermedaille. Aber Adelheid hat heute auch eine famose Performance abgeliefert", kommentierte Spitz.
Für Helen Grobert bedeutete Rang drei die Erfüllung ihres persönlichen Ziels. "Ich wollte eine Medaille und das hat geklappt. Es war der Hammer, mit den beiden deutschen Top-Fahrerinnen mitfahren zu können und sogar in Führung zu liegen. Ich bin super happy über den Tag", sagte die 22-Jährige aus Remetschwiel, für die es wie für Spitz auch ein Heimrennen war. Die Freiburgerinnen Nina Wrobel (4.) und Hanna Klein (5.) konnten nie ins Rennen um die Medaillen eingreifen. Klein war in der ersten Runde noch an Spitz dran, brach dann aber ein.
Herren: Schulte-Lünzum verwirklicht seinen Traum – Milatz im Pech
Die Herren hatten das Glück, dass es zumindest von oben trocken blieb. Allerdings war der Untergrund weiterhin eine sehr diffizile Angelegenheit, weil sich die Fahrlinien in matschigen Passagen von Runde zu Runde änderten. Es war Titelverteidiger Moritz Milatz (32), der von Beginn an das Tempo bestimmte. Der Freiburger konnte sich gemeinsam mit Markus Schulte-Lünzum absetzen. In den Anstiegen war Milatz der Stärkere, der 23-Jährige aus Haltern am See konnte in den technischen Passagen jedoch immer wieder die kleinen Lücken schließen. Dahinter versuchte sich Manuel Fumic "mit schlechten Beinen" über Wasser und den Abstand in Grenzen zu halten. Er blieb bis zur Hälfte der Distanz auch noch auf Schlagdistanz.
In der vierten von sechs Runden endete Milatz' Traum vom fünften Titel. In einer Abfahrt musste er in die Büsche. Der Sturz selbst war harmlos, ("Mir ist nichts passiert"), doch die Folgen waren drastisch. Die Halterung vom Schalthebel war abgebrochen. Keine Chance zur Reparatur, keine Chance weiter zu fahren. Total enttäuscht gab er das Rennen auf. "Ich fasse es nicht", schüttelte der frustrierte Milatz den Kopf.
Mit seinem Alptraum begann der Traum von Schulte-Lünzum wirkliche Konturen anzunehmen. Der Abstand zu Manuel Fumic wuchs an, und der West-Münsterländer steuerte auf seinen ersten Titel in der Elite-Kategorie zu. Am Ende waren es 1:46 gegenüber Manuel Fumic. Der U23-Weltcupsieger vom vergangenen Jahr hatte am Freitag tatsächlich einen Traum gehabt. "Das ist der Wahnsinn, der absolute Hammer. Ich habe geträumt, dass mir Focus einen Meister-Rahmen macht, dass ich das Trikot habe und war froh, dass ich endlich aufgewacht bin, weil das so unwirklich war", erzählte Schulte-Lünzum euphorisch. "Schade, dass es so passiert ist, mit dem Pech von Moritz, aber ich bin trotzdem super glücklich. Ich kann es gar nicht fassen."
Manuel Fumic wirkte dagegen sehr abgeklärt, fast ernüchtert. Das ganze Rennen über betrieb er praktisch Schadensbegrenzung. "Ich bin mein Tempo gefahren und am Ende hat es zum Vizemeister gereicht. Das war zwar nicht das, was ich mir erhofft habe, aber mit den Beinen bin ich mehr als zufrieden", sagte der Cannondale-Fahrer. Auf Rang drei erreichte Markus Bauer das Ziel (+2:59). Dass ausgerechnet der Ausfall seines Kumpels Moritz Milatz ihm die Medaille, seine erste in der Elite-Klasse bescherte, war dem Kirchzartener sicher nicht recht. Doch für sich selbst nahm er die Bronze-Medaille mit einem Glücksgefühl zur Kenntnis. Er war in der zweiten Runde gestürzt, als er noch mit Schulte-Lünzum und Milatz in der Spitzengruppe lag. Er fuhr eine halbe Runde dann bei Fumic mit, doch auch das war ihm zu schnell.
Auch als Julian Schelb von hinten aufrückte, ging er nicht mit. "Dann hat es auf einmal klick gemacht. Ich bin an Julian wieder ran gefahren, und als ich hörte, es geht um Platz drei, da habe ich gleich angegriffen", erzählte Bauer. Sein ehemaliger WG-Genosse konnte nicht reagieren, und so fuhr Bauer zur Bronze-Medaille.
U23 Damen: Wehrle überrascht
Mit der Buchenbacherin Lena Wehrle hatte wohl niemand als Nachfolgerin von Helen Grobert als U23-Meisterin gerechnet. Die Lexware-Fahrerin übernahm in der vorletzten Runde die Führung von Majlen Müller (Fujibikes-Rockets). Die Wuppertalerin lag bis zur Hälfte des Rennens in Führung, versuchte dann auch nochmals, Wehrle abzuhängen, doch die war in der Lage zu kontern und feierte mit 24 Sekunden Vorsprung einen überraschenden Titelgewinn, den ersten in ihrer Karriere. "Es ist unglaublich, ich weiß gar nicht, was ich sagen soll", meinte sie zuerst. Dann stellte sie ihren Sieg aber rasch in einen persönlichen Zusammenhang. Ihr Freund Georg Egger war vor zwei Wochen Deutscher U23-Meister geworden. "Ich habe mir vorgestellt, wie es wäre, wenn ich das auch schaffen würde und war deshalb sehr motiviert. Aber es ist unfassbar, dass es geklappt hat. Ich bin mit der Strecke optimal zurecht gekommen", sagte Wehrle.
Ein paar Meter weiter stand Majlen Müller und sie war alles andere als unglücklich. "Für mich ist ein Traum in Erfüllung gegangen. Dass ich Lena Putz mal hinter mir lassen konnte, das ist so genial. Ich bin total happy über Silber", kommentierte Müller. Einige Defekte würfelten das Geschehen immer wieder durcheinander. Leidtragende war auch Sofia Wiedenroth, die – in Führung liegend – in der ersten Runde Defekt hatte und mit ihrem platten Hinterrad einen weiten Weg zurücklegen musste. "Echt schade, körperlich ging es sehr gut. In der ersten Runde dachte ich, heute ist was drin, weil ich mit Lena Putz zusammen vorne war und technisch stärker gefahren bin. Aber gut, eine Bronzemedaille habe ich auch noch nicht", meinte die Junioren-Vize-Weltmeisterin von 2012. Lena Putz gab nach einem Defekt in der letzten Runde auf.
Masters: Die Titelverteidiger machen's wieder
Lutz Baumgärtel (1) aus Bautzen und der Hausacher Uli Brucker (2-4) werden das Trikot des Deutschen Meisters in der Masters-Klasse ein weiteres Jahr tragen. In der Masters-Kategorie 1 kam es zu einem aufregenden Duell zwischen Baumgärtel und Markus Werner. Der Titelverteidiger lag zwischenzeitlich 15 Sekunden vorne, doch Werner war in den Anstiegen der Stärkere, schloss auf und ging in Führung. In der letzten Runde gelang Baumgärtel der erneute Anschluss, und es kam zu einem engen Zweikampf. Entschieden wurde der durch einen Sturz von Markus Werner (Vogtland), etwa 1,5 Kilometer vor dem Ziel, bei dem er sich unglücklicherweise den Lenker brach. Dadurch konnte erstens Baumgärtel zum Titel fahren und zweitens André Kleindienst mit 44 Sekunden Rückstand auch noch die Silbermedaille erobern.
"Ich wollte ihn in den technischen Passagen unter Druck setzen, weil ich da stärker bin. Aber dass es auf diese Weise entschieden wurde, ist natürlich schade. Ich selbst habe nicht mit dem Titel gerechnet, weil ich nicht gut in Form bin", sagte Baumgärtel nach einem vierten Meistertitel in Folge. André Kleindienst (Förste) konnte mit den beiden anderen Protagonisten nicht mithalten und profitierte von Werners Pech. "Mir hat die Strecke Spaß gemacht, so was liegt mir", meinte Kleindienst. Markus Werner war erst einmal untröstlich über die entgangene Chance. „Ich bin nur kurz weggerutscht, aber dabei ist der Lenker gebrochen, und ich musste die Downhill-Passagen schieben", erklärte Werner.
In der Masterskategorie 2-4 ging es längst nicht so dramatisch zu. Uli Brucker setzte schon in der ersten von fünf Runden zu einem Solo an und fuhr ohne Wackler zum zweiten Titel. "Es war ein perfektes Rennen für mich heute. Die letzten beiden Runden konnte ich auf Sicherheit fahren. Mit der Strecke bin ich auch super zurecht gekommen", strahlte Brucker. Der zweitplatzierte Erik Hühnlein (Stromberg) sprach vom "Maximum", was für ihn möglich gewesen sei. "Alle haben schon vorher gesagt, der Uli ist nicht zu schlagen. Ich gönne es ihm, er ist ein super sympathischer Sportler", sagte der Silbermedaillen-Gewinner, der 1:03 Minuten Rückstand hatte.
Dirk Hemmerling (St. Ingbert) lieferte dem Marathon-Europameister der Masterskategorie 4, Matthias Ball aus Mosbach, ein schönes Duell um Rang drei. Ball lag zwischenzeitlich scheinbar sicher auf dem Bronze-Rang. "Ich dachte: Geil, das läuft ja super. Aber dann bin ich wohl ein bisschen langsamer und Dirk ein bisschen schneller geworden", erzählte Matthias Ball. In der vorletzten Runde kam es zum Positionstausch, und der 53-Jährige musste mit der Holzmedaille vorlieb nehmen. "Ich konnte das Tempo von Matthias nicht mitgehen, aber irgendwann habe ich dann gesehen, dass die Lücke kleiner wird. Das hat mich wieder motiviert", erklärte Hemmerling.
Haibike eMTB-DM: "Mit einem Grinsen durch den Wald"
Bei der ersten Deutschen Cross-Country-Meisterschaft für eBikes war es ein 17-Jähriger, der sich das Jersey überstreifen durfte. Maximilian Brandl vom Haibike-Team aus Wombach war vor zwei Wochen Dritter der Deutschen Jugendmeisterschaften geworden. Dass er sich gegen ältere und hoch eingeschätzte Konkurrenten durchsetzen konnte, verdankte er vor allem seinen fahrtechnischen Fähigkeiten. Dadurch setzte er sich ab und sammelte immer mehr Sekunden. "Ich habe immer wieder Meter gutgemacht, das hat sich addiert", berichtete Brandl aus seiner Sicht.
Hinter ihm kämpfte eine sechs Fahrer starke Gruppe um Silber und Bronze. Mitfavorit Torsten Marx aus Hechingen verlor mit seinem Kreidler-Bike nach einem Kettenklemmer den Anschluss. In der letzten Runde hatte auch Adrian Enderes ein Problem und fiel zurück. Auf auf der ansteigenden Zielgeraden kam es zu einem Sprint, den der Dettinger Tim Streckenbach vor U23-Nationalfahrer Louis Wolf (Untermünkheim) gewinnen konnte.
Abgesehen vom sportlichen Wettbewerb bei der ersten DM dieser Art, waren die Reaktionen der Teilnehmer nahezu euphorisch. Die meisten Starter waren gute Cross-Country-Fahrer, aber erst seit wenigen Tagen mit dem eBike vertraut, das in den meisten Fällen von einem Bosch-Motor unterstützt wurde. "Man fährt mit einem Grinsen durch den Wald", fasste Torsten Marx sein Erlebnis zusammen. Maximilian Brandl lobte das Fahrgefühl und sein Wettkampf-Gerät in höchsten Tönen. "Obwohl es viel schwerer ist als mein normales Cross-Country-Bike, ist das Haibike trotzdem extrem wendig. Man hat absolut keine Einschränkung, man merkt das Gewicht nicht, was die Agilität angeht. Es macht wahnsinnig Spaß, damit zu fahren, es fühlt ich auch auf einer eckigen Strecke wie hier sehr flüssig an. Es hat ungemein viel Flow, weil es nach den Kurven raus schiebt."
Dieses einzigarte Fahrgefühl betonte auch Tim Streckenbach vom Radwerk Racing Team. "Eine ganz neue Erfahrung, war echt cool. Auf der Strecke war das ein Traum. Faszinierend, wie man aus den Kurven heraus beschleunigen kann. War wunderbar", meinte Streckenbach. Und auch Louis Wolf hatte ein Grinsen im Gesicht. "War ganz witzig", lachte er. "Ich hatte Ruhe-Woche und bin die ganze Woche eBike gefahren. Wenn man über 25 km/h raus geht, dann wird es ganz schön anstrengend weil man das schwere Bike noch anschieben muss."
Ergebnisse auf sportservicehamburg.de