DEKRA EXPERTENTIPP: Bei Probefahrten von Pedelecs auf Sicherheit achten!

Das Pedelec boomt. Schon für 2019 meldete der Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) gegenüber dem Vorjahr einen Zuwachs um knapp 39 Prozent auf 1,36 Millionen Verkäufe. Im Pandemiejahr 2020 folgte ein weiterer Anstieg auf 1,95 Millionen Stück (+43 %). Fast jedes vierte verkaufte Fahrrad war ein eBike. Doch die Branche muss auch an die Sicherheit der Kundschaft denken.

Die elektrische Antriebsunterstützung ist für viele ungewohnt kräftig. © DEKRA
Die elektrische Antriebsunterstützung ist für viele ungewohnt kräftig. © DEKRA

Die Beliebtheit des elektrisch unterstützten Fahrradfahrens erklärt sich leicht: Dank dem verbauten Elektromotor sind ohne größere Anstrengungen auch längere Ausfahrten möglich. Gleichzeitig birgt der Pedelec-Boom auch Risiken, gerade für ältere Nutzerinnen und Nutzer. „Die Unfallzahlen mit Pedelecs, die
seit einigen Jahren in der amtlichen Unfallstatistik gesondert erfasst werden, steigen von Jahr zu Jahr sehr stark an“, erklärt Luigi Ancona von der Dekra Unfallforschung. „Dabei sind ältere Menschen deutlich überrepräsentiert.“ Im Jahr 2019 waren in Deutschland 60 Prozent der getöteten Pedelec-Fahrer (insgesamt 118) über 70 Jahre alt. Die über 75-Jährigen machten mehr als die Hälfte aller getöteten Pedelec-Fahrer aus.

 

Aber warum ist das Pedelec gerade für Senioren so vergleichsweise gefährlich?

Hierfür gibt es eine ganze Reihe von Gründen. Allen voran die Widerstandsfähigkeit des Körpers, die bei älteren Menschen deutlich nachlässt. Sie verletzen sich bei Stürzen schneller und oft vor allem gravierender als junge Radfahrer. Jeder kleinere Sturz kann somit im Extremfall fatale Folgen nach sich ziehen. Dazu kommt, dass ältere Menschen häufig ungeübtere Fahrer sind, da sie lange nicht mit einem konventionellen Fahrrad unterwegs waren und nun den Wiedereinstieg mit dem Pedelec wagen.

Mit dem Run auf Pedelecs steigt leider auch die Wahrscheinlichkeit eines Fahrradunfalls. Deshalb rät Dekra den Fachhändlern, KundenInnen immer auch eine Probefahrt anzubieten. ©DEKRA
Mit dem Run auf Pedelecs steigt leider auch die Wahrscheinlichkeit eines Fahrradunfalls. Deshalb rät Dekra den Fachhändlern, KundenInnen immer auch eine Probefahrt anzubieten. ©DEKRA

UNGEWOHNT STARKE BESCHLEUNIGUNG WIRD UNTERSCHÄTZT
Oftmals werden deshalb die ungewohnt starke Beschleunigung und die großen Bremsleistungen unterschätzt. Im Alter nehmen zudem die Reaktionsfähigkeit (Sehstärke, Gleichgewichtssinn) und die allgemeinen körperlichen Voraussetzungen zum Fahren eines Zweirads ab. Ein grundsätzliches Problem
für alle Pedelec-Fahrer besteht darin, dass die Geschwindigkeit eines Pedelecs von anderen Verkehrsteilnehmern, die es als Fahrrad wahrnehmen, oftmals deutlich unterschätzt wird. Auch dieser Effekt verstärkt sich womöglich, wenn auf dem vermeintlichen Fahrrad eine ältere Person sitzt.
Im Dekra Verkehrssicherheitsreport 2020 „Mobilität auf zwei Rädern“ bringen die Experten im Rahmen ihres Empfehlungs- und Forderungskatalogs deshalb einen sogenannten „Learner“-Modus ins Spiel. „Der Gedanke dabei ist, dass der Nutzer beispielsweise für die ersten 1.000 Kilometer die Unterstützungsleistung freiwillig drosseln lassen könnte, um sich langsam und in Ruhe mit dem ungewohnten Fahrzeug vertraut zu machen.“ Der Appell der Unfallexperten von Dekra richtet sich an die Hersteller, einen solchen Modus anzubieten.


BESTEHEN SIE BEIM HÄNDLER AUF EINE PROBEFAHRT
Solange es dieses Angebot allerdings (noch) nicht gibt, ist auch der Fachhandel aufgerufen, die Interessenten und Käufer von Pedelecs im Blick auf die Sicherheit zu sensibilisieren und entsprechend zu beraten. „Aus unserer Sicht ist es beispielsweise sehr riskant, einem Neueinsteiger ein Pedelec mehr oder weniger unkommentiert für eine Probefahrt zu überlassen“, mahnt Dekra Unfallforscher Ancona. „An einer eingehenden Beratung – gerade mit Blick auf die Einstellung der Antriebsunterstützung auf ungewohntes
Beschleunigungs- und Bremsverhalten, aber auch allein schon das höhere Gewicht des Pedelecs – sollte kein Weg vorbeiführen.“

Das gilt für den Experten nicht erst beim Kauf, sondern schon beim ersten Kontakt mit dem Fahrzeug: „Wer zum ersten Mal auf einem Pedelec sitzt, und sei es nur für eine kurze Probefahrt, muss gut darauf eingestellt sein, wie sich das Fahrzeug verhält. Alles andere kann tatsächlich gerade für ältere Menschen gefährlich werden.“

 

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