Am Ende kann Eva Lechner kaum sprechen, ihre Tränen nicht verbergen. Ein 18. Rang bei Olympia ist keine Schande. Im Gegenteil. Mit Schmerzen und blutigen Beinen kämpft sich Eva Lechner bis ins Ziel.
Die Aussichten auf eine Olympia-Medaille waren von Beginn an klein. Das hat seinen Grund: Eva Lechner blickt auf eine schwierige Saison zurück. Dabei hat im Winter alles hoffnungsvoll begonnen.
Im Radcross war Eva Lechner sogar die Nummer Eins im Weltcup, erstmals in der Geschichte für Italien. Ihr neues Team aus den USA gab zusätzliche Motivation. Die Freude auf den
Mountainbike-Weltcup war groß. Doch Eva Lechner kam nie richtig in Tritt. Rückenschmerzen und Stürze behinderten den Erfolg. Ausgerechnet im Olympia-Jahr war kein Aufschwung erkennbar. Dennoch
kämpft die Südtirolerin für ihr großes Saisonziel. Olympia in Rio, ihre dritte Teilnahme bei den Spielen nach Peking 2008 und London 2012.
Die Olympia-Qualifikation geschafft, gibt es nur eines: Regeneration und behutsamen Aufbau für das Rennen in Rio. Am vorletzten Tag der Spiele wird vor ganz großer Kulisse im Deodoro Olympic Park
um den Titel gekämpft. Auf einem Kurs, den Eva Lechner kennt und liebt, hat sie doch das Testrennen dort im Oktober letzten Jahres gewonnen. "Es wird ein heißes Rennen", prophezeit Eva Lechner am
Vortag nach dem Training. Insgesamt sechs Runden haben die Damen zu absolvieren.
Zu Beginn des Rennens fährt Eva Lechner noch auf Platz 14 über die Ziellinie und kann mit den Besten mithalten. Doch dann schwinden ihre Kräfte. Am Ende reicht es für einen 18. Platz mit acht
Minuten und 30 Sekunden hinter Olympiasiegerin Jenny Rissveds aus Schweden, die souverän vor der Polin Maja Wloszczowska und Catharine Pendrel aus Kanada gewinnt. Lange Zeit hat auch die
Schweizerin Jolanda Neff gute Chancen auf eine Medaille, nachdem sie bereits im Straßenrennen Achte geworden war. Jolanda Neff, die von Lechner-Entdecker Edmund Telser als Nationalcoach trainiert
wird und mit Eva Lechner befreundet ist, kommt am Ende auf den sechsten Rang.
Für Eva Lechner geht es nun nach Hause und darum, sich endgültig von den Strapazen der Saison zu erholen. Wichtig ist auch, die Schmerzen endlich in den Griff zu bekommen. Vor diesem Hintergrund
ist der 18. Platz in Rio eine beachtliche Leistung. Eva Lechner war damit nur einen Platz schlechter als vor vier Jahren in London und noch vor der ebenfalls angeschlagenen deutschen
Olympia-Ikone Sabine Spitz im Ziel, die in Rio 19. wird. In Peking 2008 war Eva Lechner auf Platz 16 gekommen. Auch Italiens Nationalcoach Hubert Pallhuber weiß, wie schwierig und unberechenbar
Olympische Spiele sein können. Als Weltmeister im Cross-Country 1997 kam er drei Jahre später bei Olympia in Sydney auch nicht über einen 31. Platz hinaus.
Text: Dr. Josef Bernhart (exklusiv für VeloTOTAL)