Interview Livio Suppo: DAS MOTORRAD IM HERZEN - JA, ABER DAS E-BIKE?

Livio Suppo (ganz rechts) zusammen mit (von links) Giuseppe Bernocco, Stefano Migliorini und Sebastiano Astegiano, THOK E-BIKES founders.
Livio Suppo (ganz rechts) zusammen mit (von links) Giuseppe Bernocco, Stefano Migliorini und Sebastiano Astegiano, THOK E-BIKES founders.

Ende 2017 hat Livio Luppo seinen Rückzug aus der Motorradwelt bekannt gegeben, um sich seiner neuen Leidenschaft zu widmen: dem elektrischen Fahrrad! Gemeinsam mit Stefano Migliorini kümmert er sich um THOK E-bikes und ist insbesondere für die Internationalisierung der Marke zuständig. 

Der 54-jährige Livio aus Turin, mit einem Universitätsabschluss im Fach Wirtschaft, ist eine der Figuren in der Motorradwelt, und darüber hinaus, den man nicht vorstellen muss.

Mit Ducati und Honda hat er einige der schönsten Kapitel des Motorsports geschrieben. Ein Beispiel: Er ist der Mann, der Ducati überredet hat, an der MotoGP teilzunehmen (wo dann der Sieg mit Casey Stoner kam). Nach über 20 Jahren offener Abgasrohre, Erfolgen und gewonnenen Weltmeisterschaften (mit Casey Stoner und Marc Marquez), Paddocks und einem Leben in der GP-Welt hat Suppo Stopp gesagt.

Im Inneren des Ducati-Museums erzählt Livio, wie das e-mtb Ducati-Projekt entstanden ist.


Video Thok E-Bikes


Vom Motorrad zum E-MTB. Ein leichter Wechsel? 

Je nachdem! Wenn du dich darauf beziehst, anzufangen, ein E-MTB zu fahren, wenn man Erfahrung mit Geländemotorrädern hat, dann würde ich ja sagen! Viele Besitzer von E-MTB sind ehemalige Gelände-Motorradfahrer, die auf E-MTB umsteigen, weil sie sich mit diesen weiter ohne all die Einschränkungen vergnügen können, die mit den Motorrädern einhergehen: Umweltverschmutzung, Verbote, Anhänger für den Transport, Steuern und Versicherung... alles Dinge, die das Fahren eines Geländemotorrads kompliziert machen.

Wenn du dich dagegen auf die Arbeit im E-Bike-Sektor nach über 20 Jahren in der MotoGP beziehst, dann ist es etwas schwieriger! Für mich ist es eine neue Welt, in der es viel zu entdecken gibt, aber sie fasziniert mich sehr und erfüllt mich mit großer Zufriedenheit!

Erzähl uns von dir!

Ich bin mit 11 Jahren zum ersten Mal Motorrad gefahren... glücklicherweise konnte ich also meine Leidenschaft mit meinem Beruf verbinden.

Nach dem Universitätsabschluss habe ich im Marketing gearbeitet und 1995 befand ich mich zum Glück zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort.

Ich arbeitete bei Benetton Sportsystem und es ergab sich die Gelegenheit, Sponsor für die Bekleidung des Teams Honda Racing zu werden. Ich begann, das Projekt zu betreuen und aus diesem Sponsoring ergab sich 1996 das „Benetton MotorBike Team“, das die Motorrad-Version des Formel-1-Teams Benetton war (das Team, das mit Michael Schuhmacher zweimal Weltmeister wurde). Mit diesem Team haben wir 1998 Marco Melandri in der WM 125 starten lassen, der bei der Weltmeisterschaft in Assen der jüngste Sieger eines Rennens wurde.

1999 wurde ich zu einem Einstellungsgespräch bei Ducati Corse eingeladen. Die Struktur war gerade geschaffen worden, um die Aktivitäten von Ducati in der Superbike-WM, der Meisterschaft für Motorräder aus der Serie, zu verfolgen und man bat mich, mich um die Marketingaktivitäten zu kümmern. In den Jahren damals begann man von Änderungen des Regelwerks der MotoGP zu sprechen (Wechsel von 2-Takt-Motoren mit 500 ccm zu 4-Takt-Motoren mit 1000 ccm). Zusammen mit Claudio Domenicali und Filippo Preziosi überzeugten wir den Vorstand von Ducati, die „japanischen Giganten“ auch in dieser Meisterschaft herauszufordern, und ich übernahm die Verantwortung für das Projekt MotoGP.

Das waren unvergessliche Jahre, eine Herausforderung von „David gegen Goliath“. Dank der Genialität von Filippo Preziosi, des Talents von Casey Stoner und einiger mutiger Entscheidungen (wie die, von Michelin zu Bridgestone zu wechseln) konnten wir 2007 den WM-Sieg feiern, nur 5 Jahre nach dem Einstieg in die „Königsklasse". 

Ducati World Champion 2007
Ducati World Champion 2007

2009 bat mich der damalige Vice President von HRC (Honda Racing Corporation) Shuhei Nakamoto, bei ihnen zu arbeiten. Für HRC waren dies schwierige Jahre und sie hatten seit 2004, als Valentino Rossi zu Yamaha gegangen war, nur eine Weltmeisterschaft gewonnen, nämlich 2006 mit Nicky Hayden. Nakamoto sagte zu mir: „Wir müssen HRC wieder aufwecken“!

Ich hatte also die Ehre, als erster Europäer ein Team von HRC zu leiten und ich muss sagen, dass auch in diesem Fall die Erfolge nicht ausblieben: ein Titel 2011 mit Casey Stoner und vier mit Marc Marquez (2013, 2014, 2016 und 2017).

HRC ist wieder das Team, auf das sich alle Augen in der MotoGP richten.

Livio Suppo 2014
Livio Suppo 2014

Am Ende der Saison 2017 fasste ich den Entschluss, die MotoGP zu verlassen, eine Welt, die mir sehr, sehr viel gegeben hat. Doch es war der Moment gekommen, nach neuen Herausforderungen zu suchen, mich auch in einem anderen Sektor auf die Probe zu stellen.

Was ist eine deiner schönsten Erinnerungen aus deiner Vergangenheit in Verbindung mit dem Motorsport? 

Die Weltmeisterschaft 2007, kein Zweifel. Als Casey in Motegi über die Ziellinie fuhr und Weltmeister wurde. Es wurde ein Traum war, für den ich viele Jahre gearbeitet hatte. Es war ein unvergesslicher Moment. 

Livio Suppo und Stefano Migliorini
Livio Suppo und Stefano Migliorini

Wie hast du Stefano Migliorini kennengelernt und inwiefern hast du zur Gründung von THOK beigetragen?

2011 habe ich angefangen MTB zu fahren. Nach einigen Jahren, in denen ich versuchte, ein „ordentliches“ Trainingsniveau aufrechtzuerhalten – was mir nicht gelang, wegen der vielen Verpflichtungen und Reisen – habe ich die E-MTBs entdeckt. Ein guter Freund hat mir eine Marzocchi-Gabel geschenkt, um mein E-MTB zu upgraden, und Stefano, der damals für Marzocchi arbeitete, hat sie mir übergeben. Es entstand sofort ein sehr gutes Feeling und wir begannen, uns häufig zu sehen. Bei unseren gemeinsamen Fahrten, ich auf einem E-MTB und er mit einem klassischen MTB, begannen wir, darüber zu sprechen, dass es schön wäre, ein E-MTB „nach unserem Geschmack“ zu bauen, das sowohl für Amateure wie mich als auch für einen Meister wie ihn ideal sein würde. Das Treffen mit Sebastiano Astegiano und Giuseppe Bernocco, den beiden piemontesischen Unternehmern der TCN Group, hat „den Kreis geschlossen“ und zur Gründung von THOK E-bikes geführt!

 

Wofür bist du heute bei THOK zuständig?

Marketing und Kommunikation, das Wachstum unserer Marke außerhalb Italiens und, in jüngster Zeit, für die Vereinbarung mit Ducati, für die wir in Lizenz das Ducati MIG-RR gebaut haben, ein Enduro-E-MTB mit Spitzenausstattung, das auf der Website ducati.com und bei Ducati-Händlern in ganz Europa verkauft wird. Es ist ein sehr anstrengendes Projekt, aber wir sind super stolz darauf, mit einem Kultunternehmen der Motorradwelt wie Ducati zusammenarbeiten zu können. 

Was gefällt dir am E-MTB und warum ziehst du es heute dem Motorrad vor?

Die Freiheit, die es dir gibt. Die Freiheit, zu herrlichen Orten zu fahren, ohne dass Verbote gelten, die Freiheit, das E-MTB nichts mindestens zwei oder drei Mal pro Woche fahren zu müssen, um Spaß zu haben (bei den MTB ohne Motor ist das dagegen anders, weil es wirklich anstrengend ist, wenn man nicht durchtrainiert ist). Bergauf strengt man sich an, aber man kann diese Anstrengung je nach Bedarf ändern und die Assistenzstufe des Motors regeln. Bergab hat man irre Spaß, auch weil man weniger müde ist, als wenn man den Hang nach oben ohne Motorhilfe erklommen hat.

Thok - Ducati by Thok LEX1535
Thok - Ducati by Thok LEX1535

 

Motorräder und Fahrräder sind zwei völlig getrennte Welten?

Die Gefühle beim Fahren von Fahrzeugen mit „zwei Rädern“ sind ähnlich, egal ob Motorrad oder Fahrrad. Das Gefühl von Freiheit, das Gleichgewicht, das Sich-zur-Seite-Legen... man wird wieder zum Kind und empfindet ein Gefühl von Freiheit, das nur „Zweiräder“ zu vermitteln wissen.

Pläne für die Zukunft für THOK?

Unser Sortiment entwickeln und dabei weiter auf unser Motto konzentriert bleiben: Performance First. Neue Märkte erschließen und weiter mit Ducati zusammenarbeiten. Wir haben viele Ideen... wir werden alles tun, um sie wahr werden zu lassen und uns dabei weiter zu vergnügen!

Livio Suppo auf seinem Thok e-MTB
Livio Suppo auf seinem Thok e-MTB